Wüste Oasen
So kalt wie eine Nacht in der Wüste ist es bekanntlich nicht einmal am Nordpol. Zum Glück haben wir unsere Heizung und die wenigen Quadratmeter werden schnell warm. In der Nacht muss sie sogar abgestellt werden, es ist uns zu warm geworden. Aber der erste, der sich aus dem Bett wagt, macht sie wieder an. Wir verlassen Ahmeds Oase und fahren weiter zur Nationalstrasse N6. Dort erwartet uns gleich die erste Kontrolle der Gendarmerie Nationale.
Es handelt sich aber nicht nur um eine einfache Kontrolle, sondern man teilt uns mit, dass wir zu unserem Schutz bis nach Ghardaia von der Polizei begleitet werden. Ich kenne Polizeischutz von Gruppenreisen in Algerien, aber als Einzelperson musste ich noch nie mit Polizeischutz fahren. Die Begleitfahrzeuge der Polizei wechselten sich immer ab, denn sie fuhren uns nur bis zur Grenze ihres Gebietes und dort wartete schon das nächste Team, das uns begleitete, oder es kam gleichzeitig mit uns an. Unter begleiten muss man sich vorstellen, dass die Polizei uns vorausfuhr, von wenigen Metern vor uns bis zu einem halben Kilometer. Was genau geschützt wurde, haben wir nicht herausgefunden. Ein Grund war sicher mein Schweizer Pass, denn letzten November gab es ein tödliches Problem mit einer Schweizerin in Djanet, zwar über 1000 Kilometer von unserer Route entfernt, aber man wollte kein zweites Problem mit den Schweizer Diplomaten in Alger. Weitere Gründe waren, dass es unterwegs keinen Handyempfang gäbe, dass es fast keinen Verkehr gäbe und wenn wir eine Panne hätten, wäre das nicht gut für uns. In einem der Dörfer wurden wir auch von der Bevölkerung gewarnt, aber es schien mir, dass zwischen den Ordnungshütern und der sehr eigenwilligen Bevölkerung kein gutes Verhältnis herrschte. Die Polizisten der Gendarmerie Nationale kommen meist aus völlig anderen Gegenden und kennen weder Land noch Leute, in denen sie Dienst tun.
So wurden wir knapp 1000 Kilometer von der algerischen Regierung beschützt und ich muss sagen, von den sicher über 20 Begleitfahrzeugen hatten wir nur mit einem ein paar Probleme. Die anderen stellten sich immer kurz vor, fragten ob wir tanken oder essen wollten und die Fahrt ging zügig voran, wobei ich mit meiner Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h das Tempo vorgab.
Die Strecke nach Timimoun führt uns am Südrand des Grossen Westlichen Erg entlang durch eine echte Saharalandschaft. Schilder am Strassenrand weisen auf Brunnen hin und warnen vor Dromedaren. Hinter aufgeschütteten Sandhaufen leuchtet es grün, Bewässerungsanlagen wie in Südeuropa sind zu sehen. Seit Jahren wird künstlich und im Rahmen landwirtschaftlicher Grossprojekte im Sand gesät, gepflanzt und geerntet, wo immer Wasser zu finden ist.
Timimoun ist unsere südlichste Station auf dieser Reise. Es ist eine reizvolle grosse Oasenstadt, umgeben von kleinen alten Dörfern. Die Einwohner, wie in ganz Algerien sehr freundlich, sind unterschiedlicher Herkunft. So ehemalige Sklaven, die Haratin, Schwarzafrikaner, Araber und Berber vom Stamm der Zenata. Deren Sprache ist auch der vorherrschende Dialekt und hat nichts mit dem Arabischen zu tun. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt liegen alle an und in der Nähe der Hauptstrasse, der Avenue 1ere Novembre. Am westlichen Ende befinden sich der alte Ksar und die Palmerie mit den Dünen des Erg, am Place de l'Indépendance gruppieren sich mehrere Sehenswürdigkeiten. Die Porte de Sudan, ein Tor, das einem sudanesischen Grabmal nachempfunden ist. Das ehemalige Hotel Oasis Rouge, das heute kulturelle Einrichtungen der Stadt beherbergt, aber auch von innen besichtigt werden kann. Der von Türmen überragte Foggara-Brunnen. Dahinter der Markt und das Artisanat mit einem kleinen Museum. Etwas weiter liegt die Altstadt. Die Erhaltung und Renovierung der Häuser in der alten Medina wird von der Regierung nicht unterstützt und es bleibt den einzelnen Besitzern überlassen, das Haus, das seit Jahrzehnten im Familienbesitz ist, zu erhalten oder in eine vom Staat subventionierte Neubauwohnung umzuziehen. So verfallen die meisten der alten Häuser aus rotem Lehm. Ein Spaziergang lohnt sich aber immer noch, und der Weg durch die Palmenhaine ist immer etwas Besonderes. Das lebensspendende Wasser fliesst durch die eingefassten kleinen Kanäle und bewässert so zu bestimmten Zeiten die einzelnen Parzellen.
In
der Palmerie gibt es keine Campingplätze im eigentlichen Sinne mehr.
Es sind aber einige kleinere und grössere Ksars mit Hotelzimmern,
Bungalows und Parkplätzen für Camper entstanden. In einer solchen
Touristenfestung quartieren wir uns für zwei Nächte ein. Da die
Anlage erst im November 2024 eröffnet wurde, sind noch nicht alle
Einrichtungen, vor allem für Camper, vorhanden, so dass uns einer
der Bungalows zur Benutzung von Toilette und Dusche geöffnet wurde.
Für den Abend hatten wir uns ein besonderes Abendessen gewünscht.
Wir wurden zum Tee in die Wüste eingeladen. Mit trockenen
Palmzweigen und Olivenholz wurde ein Feuer entfacht. Über der Glut
wurde der Tee gekocht. Später wurde die glühende Asche beiseite
geschoben, ein rundes, etwa fünf Zentimeter tiefes Loch in den von
der Glut heissen Sand gegraben. Ein runder roher Brotteig wurde
hineingelegt und mit weiterem heissen Sand bedeckt. Darauf wurde die
Glut gelegt und weiterer Tee gekocht. In der Wüste gibt es schwarzen
Tee ohne Minze und nicht zu stark gesüsst. Daneben bereitet der Koch
eine Art Eintopf mit verschiedenen kleingeschnittenen Gemüsesorten
zu.
Sobald
der Koch weiss, dass das Brot fertig ist, wird es ausgegraben und mit
viel Klopfen und Wischen vom letzten Sandkorn befreit. Das frisch
gebackene Brot wird aber nicht mit dem Eintopf serviert, sondern
sorgfältig von Hand in kleine Stücke gebrochen und in den Eintopf
gegeben. Mit Löffeln essen wir nun den leckeren Gemüseeintopf mit
frischem Brot direkt aus dem Gemeinschaftstachin. Es schmeckt
wunderbar und die Sosse ist einzigartig!
Auf halbem Weg nach Ghardaia liegt die Stadt El Goléa. So steht es zumindest auf der Michelin Strassenkarte, aber die Einheimischen kennen den Ort unter dem Namen El Menéa, oder auch Menia, Manaa geschrieben. Der Ort liegt unterhalb einer Steilkante, von der aus man einen guten Überblick über die weitläufige Oase hat. Unter uns stehen etwa 300.000 Palmen. Neben Dattelpalmen werden Obst, Gemüse und Getreide angebaut, das zweimal im Jahr geerntet werden kann. Dromedar-Farmen versorgen die Bevölkerung mit Milch und Fleisch. Während der französischen Kolonialzeit wurden von hier aus Rosen bis nach Paris exportiert.
Im Norden steht inmitten von Palmen die Kirche Saint Joseph mit ihren zwei Türmen. Auf dem Friedhof gegenüber liegt der französische Missionar und seit einigen Jahren Heilige Charles de Foucauld begraben. Am eigentlichen Ortseingang befindet sich eine Mineralwasserfabrik. Nach etwa zwei Kilometern Fahrt durch die Oase erreichen wir die Zitadelle El Menéa, die einst zum Schutz der Bevölkerung vor Wüstenräubern erbaut wurde. Im 10. Jahrhundert diente die Festung den Zenet-Berbern als Zufluchtsort und als Drehscheibe für Handel und kulturellen Austausch. Im 14. Jahrhundert wurde die Festung von der arabischen Königin Mubarka Bint al-Khas erobert und trägt seitdem den Beinamen Festung der Prinzessin. Ihr Wohntrakt ist von oben zu sehen, Teile des Daches und der Mauern sind eingestürzt.
Ein wenig Geschichte: Im 10. Jahrhundert verbündeten sich die Zeneten mit dem Kalifat von Córdoba gegen die Fatimiden. Im 13. Jahrhundert gewannen sie mit dem Aufstieg der Zenetendynastie der Zianiden im zentralen Maghreb an politischer Macht. Zwei Zenetendynastien, die Meriniden und die Wattasiden, beherrschten den westlichen Maghreb von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts.
Zum Abschluss des Tages geniessen wir den Sonnenuntergang am Rande der Dünen ohne weitere Touristen.