Verkehrte Welt
Die
französische Startelf im Viertelfinale der Europameisterschaft
besteht aus zwei Weissen, drei Grauen und sechs Schwarzen. Der linke
und der rechte Flügel der Spanier sind afrikanischer Herkunft. Der
Jüngste ist noch keine 17 Jahre alt und gilt in Spanien als menor,
minderjährig. Auf den spanischen Kanarischen Inseln, die Afrika
vorgelagert sind und somit zu Afrika gehören, gibt es weitere 500
minderjährige Flüchtlinge. Die Regionalregierung und die
zuständigen Minister in Madrid wissen mit ihnen nichts anzufangen.
Es sind keine Fussballtalente darunter, keine Wunderkinder aus der
Schule des
FC Barcelona, wo schon Leo Messi zum Weltstar ausgebildet
wurde. Lamine führt Spanien ins Finale, die Jungs von Teneriffa
führen Spanien in die politische Auseinandersetzung. Interessant,
dass die spanische Tageszeitung El Pais am 10. Juli 2024 beide Themen
auf der Titelseite gegenüberstellt. Gibt es mehr Ironie als diese
beiden Gegensätze? Vielleicht die Europaabgeordnete der Linkspartei
Podemos, Irene Moreno, die von Fussball noch weniger versteht als von
Politik, die Gelegenheit aber am Schopf packt und sich auch gerne mit
dem Jungstar schmückt. König Felipe klopft dem Jungstar während der Meisterfeier väterlich auf die Schultern. So ein Sohn hätte er sich auch
gewünscht.
Und umgekehrt in Frankreich. Dort werben nach dem Rechtsrutsch bei den Europawahlen die Fussballspieler für die Mitte-links-Parteien. Auch Emanuel Macron weiss, wie man gewinnt, ohne ein eigenes Tor zu schiessen, so wie die Bleu, die als Minimalisten bis ins Viertelfinale kamen, wo sie nun auf echte Fussballer trafen. In beiden Ländern und auch bei anderen EM-Teilnehmern lenkt der Fussball von den eigentlichen Problemen des jeweiligen Landes ab. Ein Tor wird bejubelt, eine Schiedsrichterentscheidung zum Problem hochstilisiert und bis ins kleinste Detail studiert. Warum werden die Entscheidungen der Politiker nicht von einem VAR überprüft und das Volk erhebt sich nicht schreiend gegen die Ungerechtigkeit? Schon die Römer wussten: Spiele mit dem Volk und es bleibt ruhig!
Wie bei jedem Länderspiel stellt sich die Frage nach dem Mitsingen der Spieler ihrer Nationalhymne. So inbrünstig wie die Spieler aus den verschiedenen Balkanländern können die Schweizer nicht mithalten. Das liegt sicher auch am Text: Trittst du im Morgenrot, sehe ich dich im Strahlenmeer. Ein Text für besinnliche Feste wie den Nationalfeiertag, aber sicher nicht, um die Spieler anzufeuern und die Fans im Stadion und zu Hause vor den Bildschirmen zu begeistern.
Die Fussball-EM 2024 ist vorbei, der Sieger heisst España!
Freuen
wir uns auf die Olympischen Spiele in Paris!