Verkehrte Welt

15.07.2024

Die französische Startelf im Viertelfinale der Europameisterschaft besteht aus zwei Weissen, drei Grauen und sechs Schwarzen. Der linke und der rechte Flügel der Spanier sind afrikanischer Herkunft. Der Jüngste ist noch keine 17 Jahre alt und gilt in Spanien als menor, minderjährig. Auf den spanischen Kanarischen Inseln, die Afrika vorgelagert sind und somit zu Afrika gehören, gibt es weitere 500 minderjährige Flüchtlinge. Die Regionalregierung und die zuständigen Minister in Madrid wissen mit ihnen nichts anzufangen. Es sind keine Fussballtalente darunter, keine Wunderkinder aus der Schule des
FC Barcelona, wo schon Leo Messi zum Weltstar ausgebildet wurde. Lamine führt Spanien ins Finale, die Jungs von Teneriffa führen Spanien in die politische Auseinandersetzung. Interessant, dass die spanische Tageszeitung El Pais am 10. Juli 2024 beide Themen auf der Titelseite gegenüberstellt. Gibt es mehr Ironie als diese beiden Gegensätze? Vielleicht die Europaabgeordnete der Linkspartei Podemos, Irene Moreno, die von Fussball noch weniger versteht als von Politik, die Gelegenheit aber am Schopf packt und sich auch gerne mit dem Jungstar schmückt. König Felipe klopft dem Jungstar während der Meisterfeier väterlich auf die Schultern. So ein Sohn hätte er sich auch gewünscht.

Und umgekehrt in Frankreich. Dort werben nach dem Rechtsrutsch bei den Europawahlen die Fussballspieler für die Mitte-links-Parteien. Auch Emanuel Macron weiss, wie man gewinnt, ohne ein eigenes Tor zu schiessen, so wie die Bleu, die als Minimalisten bis ins Viertelfinale kamen, wo sie nun auf echte Fussballer trafen. In beiden Ländern und auch bei anderen EM-Teilnehmern lenkt der Fussball von den eigentlichen Problemen des jeweiligen Landes ab. Ein Tor wird bejubelt, eine Schiedsrichterentscheidung zum Problem hochstilisiert und bis ins kleinste Detail studiert. Warum werden die Entscheidungen der Politiker nicht von einem VAR überprüft und das Volk erhebt sich nicht schreiend gegen die Ungerechtigkeit? Schon die Römer wussten: Spiele mit dem Volk und es bleibt ruhig!

Wie bei jedem Länderspiel stellt sich die Frage nach dem Mitsingen der Spieler ihrer Nationalhymne. So inbrünstig wie die Spieler aus den verschiedenen Balkanländern können die Schweizer nicht mithalten. Das liegt sicher auch am Text: Trittst du im Morgenrot, sehe ich dich im Strahlenmeer. Ein Text für besinnliche Feste wie den Nationalfeiertag, aber sicher nicht, um die Spieler anzufeuern und die Fans im Stadion und zu Hause vor den Bildschirmen zu begeistern.

Die Fussball-EM 2024 ist vorbei, der Sieger heisst España!

Freuen wir uns auf die Olympischen Spiele in Paris!