Tropenfieber
Der 23-jährige frankreichmüde Joseph Timar soll auf Vermittlung seines Onkels für eine französische Handelsgesellschaft in Gabun arbeiten. In Libreville angekommen, erfährt er, dass es keine Arbeit für ihn gibt. Die Hitze, die alles zu durchdringen scheint, die Moskitos, die nie schlafen und nichts anderes tun, als zu trinken und Billard zu spielen, machen ihn müde. Gleich am ersten Tag beginnt er eine Affäre mit Adèle, der Wirtin des Hôtel Central. Sie scheint in ihrem schwarzen Seidenkleid, ohne Unterwäsche zu tragen, auf Joseph gewartet zu haben wie eine Spinne auf ihre frische junge Beute. Am nächsten Abend wird der Hotelboy ermordet, kurz darauf stirbt auch Adèles Mann. Timar gerät in ein afrikanisches Abenteuer, dem seine inneren und äusseren Kräfte nicht gewachsen sind.
Liebe, Leidenschaft, Verbrechen und über allem die gnadenlos brennende Sonne und die hohe Luftfeuchtigkeit der Tropen sind Inhalt und Schauplatz dieses spannend geschriebenen Romans.
Der Roman wurde im Juli 2024 vom Atlantik Verlag als Taschenbuch neu aufgelegt. Aus dem Tropenfieber ist der Tropenkoller geworden, aber das Bild auf dem Umschlag zeigt, wie man sich Afrika auch heute noch vorstellt. Der Titel der Originalausgabe von 1933 lautet Le Coup de Lune, übersetzt Der Mondschlag. In den Tropen kann man nur nach Sonnenuntergang leben, und wenn ein Weisser damals auch nachts seinen Tropenhelm aufbehielt, wurde er scherzhaft gefragt, ob er Angst habe, dass ihm der Mond auf den Kopf falle. Vielleicht daher der Originaltitel. Die mir vorliegende deutsche Übersetzung erschien 1960 im Verlag Kiepenheuer & Witsch in Köln und Berlin. Die Seiten sind wohl von der Tropensonne stark vergilbt, das Titelbild zeigt einen rauchenden Weissen mit Tropenhelm und eine schwarze Frau mit Kraushaar und Ohrring.
Georges Joseph Christian Simenon war ein belgischer Schriftsteller. Bekannt wurde er vor allem als Autor von insgesamt 75 Kriminalromanen um die Figur des Kommissars Maigret. Daneben schrieb Simenon über 100 weitere Romane und 150 Erzählungen. Er schrieb in französischer Sprache und benutzte bis zu seinem Erfolg unter seinem eigenen Namen hauptsächlich das Pseudonym Georges Sim für seine Groschen-Romane und Kurzgeschichten.
Vor allem seine Kriminalromane fanden weltweit eine begeisterte Leserschaft. Er war unerschöpflich einfallsreich und zeichnete in seinen Romanen ein lebendiges Bild der Gesellschaft seiner Zeit.
Auf Anraten eines Freundes pflegte Simenon einen sehr einfachen und nüchternen Stil. Eine Untersuchung der Maigret-Romane ergibt einen Wortschatz zwischen 900 und 2300 Wörtern, von denen 80 % zum Grundwortschatz gehören und weniger als 2 % seltene Wörter sind. Zur Begründung verwies Simenon auf eine Statistik, nach der damals mehr als die Hälfte der Franzosen über einen Wortschatz von weniger als 600 Wörtern verfügten. Er vermied jede literarische Sprache und entwickelte eine Theorie der Wörter, die das Gewicht der Materie haben, Wörter mit drei Dimensionen wie ein Tisch, ein Haus, ein Glas Wasser. So hat Simenon zum Beispiel den Regen nie als eine Vielzahl von Wassertropfen beschrieben, die sich in gläserne Perlen verwandeln. Er wollte jeden Anschein von Literatur vermeiden.
Das erste Land, das ich in Schwarzafrika, also südlich der Sahara, besuchen durfte, war Mali. Im selben Jahr, fast 75 Jahre nach Joseph Timar, reiste ich mit dem Flugzeug der Air Gabun von Paris nach Gabun und landete in Libreville. Natürlich hat sich in diesen Jahrzehnten viel verändert, aber der Strand mit den Palmen ist so geblieben, wie er im Roman beschrieben wird. Auch die Hitze und die Schwüle unter der Sonne Gabuns sind bis heute ein fester Bestandteil der Tropen.