schau zurück

23.08.2024

Schau (nicht) zurück

Schau nicht zurück, da warst du schon! Es bringt nichts, sich mit der Vergangenheit aufzuhalten. Schau nach vorne und lass die Vergangenheit hinter dir. Ich frage mich, ob ich wirklich nur nach vorne sehen kann, ohne dabei die Gegenwart zu leben und somit die Vergangenheit zu vergessen. Was wäre ich ohne meine Vergangenheit, ohne meine geerbten Gene meiner Vorfahren, die ich zum grössten Teil nicht einmal kennenlernen durfte? Und was ist mit den unvergesslichen Stunden mit Familie und Freunden? Was wäre ich ohne die schwierigen Erfahrungen, die ich gemacht habe?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ohne meine Vergangenheit nicht der Mensch wäre, der ich heute bin.

Ich finde es schön, abends im Bett zu liegen und an eine bestimmte Zeit aus meiner Vergangenheit zu denken. Damals, vor vielen Jahren, vor Jahrzehnten, gab es einen Moment, in dem ich mich für eine Sache oder eine Person entschieden habe. Ich habe die Entscheidung auf Basis von Überlegungen, Fakten und auch aus dem Bauch heraus getroffen. Ich versuche, mich daran zu erinnern, was damals war. Ich suche in mir selbst nach Hinweisen, Erfahrungen und Erinnerungen, die ich vielleicht vergessen habe. Dabei kommen Namen von Personen und Orten hoch, die ich eigentlich schon längst vergessen hatte. Dank Google Maps finde ich altbekannte Orte wieder. Es ist ziemlich schwierig, Menschen zu finden, an die ich mich nur mit dem Vornamen erinnere, selbst wenn man Facebook & Co. nutzt. Ich treffe Menschen von damals auf der Strasse, was eigentlich unmöglich ist, denn auch sie sind älter geworden und haben sich verändert.

All diese Puzzleteile aus der Vergangenheit ergeben heute mein Bild. Manche Teile passen perfekt zusammen, bei anderen fehlen Ecken oder sie sind verblasst. Mein Lebenspuzzle ist noch lange nicht vollendet. Ich hoffe, dass ich in Zukunft ruhiger, besonnener und vielleicht auch weiser an meinem Puzzle weiterbauen kann. Auch wenn ich weiss, dass das letzte noch unbekannte Teil von jemand anderem eingefügt werden wird. Wenn das Puzzle fertig ist, wird es irgendwo in einem Schrank aufbewahrt, bis es irgendwann in Vergessenheit gerät. Schicksal der Menschheit, Schicksal des Lebens.

Wenn ich so im Bett liege und mein vergangenes Leben nochmals in Gedanken und in Erinnerungen durchlebe, kommt mir der Gedanke: Was wäre gewesen, wenn ich mich hier, an dieser Stelle, zu diesem Moment anders entschieden hätte? Was aus mir geworden wäre, weiss ich nicht. Vielleicht wäre ich auf anderen Wegen zum gleichen Ergebnis gekommen wie heute, aber vielleicht an einem anderen Ort, mit anderen Mitmenschen. Eines ist sicher: Meine heutigen Kinder würde es nicht geben!

Ich stelle mir mal vor, ich wäre 1986 nicht nach Spanien, sondern nach Griechenland gereist. Ich hätte das gleiche Auto gehabt und der gleiche Hund wäre mein Reisebegleiter gewesen. Aber das Ziel wäre eine andere Stadt gewesen, die Sprache eine andere, die Leute, mit denen ich zu tun hatte, andere und die Freundschaften mit anderen Gesichtern. Mein Leben wäre wahrscheinlich ziemlich ähnlich verlaufen – mit einer Freundin, Hochzeit, Kindern, Scheidung und so weiter. Die Kulisse wäre aber trotzdem die gleiche gewesen, auch in Griechenland hätte es Wein, eine Taberna, Sonne und Meer gegeben.
Aber meine Kinder von heute gäbe es da nicht!

Ich finde es toll, in Erinnerungen zu schwelgen und mich an Orte und Menschen zu erinnern, die für mich wichtig waren. Gleichzeitig finde ich es aber auch spannend, mir vorzustellen, wo und wer ich heute wäre, wenn ich damals zu diesem bestimmten Zeitpunkt nicht diesen Schritt gewagt hätte.