Samarkand - Usbekistan
Schon
der Name Samarkand ist ein Märchen. Samarkand enthält eine
romantische Botschaft, riecht nach Gewürzen aus fernen Ländern,
handgewebten Seidenteppichen, bunter Keramik, Kamelkarawanen, buntes
Markttreiben und himmelblauen Kuppeln.
Hinter
den Ständen mit Souvenirs sitzen die Frauen, wie bereits ihre
Mütter, Grossmütter und Urgrossmütter sassen. Das Angebot hat sich
verändert, so wie auch die Kunden. Die meisten Touristen sind sich
nicht ans Handeln gewohnt. Doch ist es wichtig zu feilschen, noch
über die kleinsten Dinge, eine Banane, eine Apfelsine oder eine
bunte Keramikfigur. Es muss diskutiert und verhandelt werden.
Gemäss
der uralten Tradition ist auch heute noch der Markt in verschiedene
Abteilungen aufgeteilt. Da sind die Brotverkäuferinnen, dort stehen
die Stände mit den farbenfrohen Gewürzen und Tee. Die Luft riecht
intensiv nach frisch gemahlenem Zimt. Hier gibt es Gemüse und
Früchte, da Kleider für die Kinder. In einer Ecke feilschen die
Nuss- und Trockenfrüchte-Verkäufer.
Als
ich den Registan Platz betrat, ging die Sonne gerade hinter
den Gebäuden unter. Ich setzte mich auf den Brunnenrand und geniesse
den Augenblick. Jedes der Gebäude ist eine Herrlichkeit für sich.
Die prachtvoll restaurierten Medressen und Koranschulen aus dem 15.
bis 17. Jahrhundert schmücken den wohl prächtigsten Platz
Zentralasiens. Dazu stehen sie in perfekter Symmetrie gegeneinander.
In den Bäumen hinter mir fangen die Spatzen an zu singen, als ginge
es um ihr Leben. Es wird mir langsam kalt, ab ins nächste Teehaus
zum Aufwärmen.
In
den Vorgärten der Wohnhäuser sind mir bereits die "Bettgestelle"
aufgefallen. Ich wusste nicht, ob wohl alle usbekischen Hausfrauen
zur gleichen Zeit den Frühlingsputz machen, bis ich entdeckte, dass
auch in und um die Teehäuser solche Diwane aufgestellt sind. Rund um
einen niedrigen Tisch liegen Teppiche und Decken. Die Herren strecken
sich gemütlich auf dem Diwan aus, trinken nicht nur Tee und
diskutieren über das Tagesgeschehen, die Politik, Religion und
Fussball. Ziehe ich mir doch auch die Schuhe aus und sitze erst
einmal im Schneidersitz auf meinem Diwan. Zum Aufwärmen bitte eine
Kanne Tee und ein Glas Wodka. Ich bin nicht lange alleine und eine
nette internationale Runde freut sich über den usbekischen Brauch.
Allen Usbeken, denen ich auf meiner Reise begegnet bin, sind sehr freundliche Menschen hilfsbereit und es ist schade, dass ich nicht über den Gruss hinauskomme, um mich mit ihnen zu unterhalten. Wenn auch über Bücher und Internet schon einiges Wissen über das für uns Europäer unbekannte Land gesammelt, staune ich doch, was hier geleistet wurde, wo Mitteleuropa noch im tiefen Schlaf lag und nur Al-Andalus in Südspanien und Nordafrika mit der Kultur Zentralasiens mithalten konnte. Während der Zeit als Teil der Sowjetunion wurden die religiösen Monumente nicht zerstört wie in anderen Regionen, sondern unter Denkmalschutz gestellt und wieder aufgebaut. In Moskau hat man das touristische Potenzial gespürt und so sind bis hin ins 21. Jahrhundert einmalige Bauten erhalten geblieben.
Neben
der Bibi Xanom Moschee gibt es einen schönen Markt, den Siab Basar.
Aufgrund seiner Nähe zu einem der wichtigen Monumente glaubt der
Besucher, dass der Markt für Touristen ausgelegt ist, aber nur an
einem kleinen Teil findet der Besucher Keramik, der nicht von
Einheimischen gekauft wird.
Spezialisiert hat sich der Markt eher auf
Trockenfrüchte, Nüsse und Gewürze. In einem weiteren Teil sind die
Gemüse- und Obstverkäufer untergebracht. In einem weiteren Teil
Hühner- und Wachteleier zum Verkauf angeboten. Die ausländischen
Marktbesucher werden kaum beachtet. Wenige Worte auf Englisch und
Deutsch sind zu hören. Ältere, rundliche Frauen bieten frisches,
köstliches Fladenbrot an. Ein Lächeln, ein kurzes Aufblitzen ihrer
Goldzähne ladet zum Kaufen ein. Das Angebot ist riesig, aber doch
beschränkt auf die Waren, welche das Land hergibt. Man findet wenige
Importprodukte. Überall wird gehandelt und gefeilscht. Aufgrund der
fehlenden Sprachkenntnisse nehme ich die Finger zu Hilfe, gebe ich
einem Verkäufer eine zu hohe Note, waren 5'000 oder 50'000 Som
gemeint, so gibt er genügend Rückgeld raus, dass ich merke, dass es
nur fünftausend waren.
"Timur
war ein hässlicher Mann. Er hatte ein blindes Auge und einen lahmen
Fuss."
so die Worte von Johann Wolfgang von Goethe.
Timur
war ein Kriegsherr, heute der usbekische Nationalheld, welcher Ende
des 14., anfangs des 15. Jahrhunderts Samarkand erneut zum Zentrum
der muslimischen Welt verhalf. Seine sterblichen Überreste liegen im
Mausoleum der Timuriden Gur Emir. Eine Pracht, welche sonst nur in
Palästen zu sehen ist.
Eine Vielzahl von Legenden rankt sich
nicht nur um den Herrscher, sondern auch um sein Grabmal.
Wissenschaftler aus Samarkand hatten die sowjetischen Archäologen
gewarnt, den Sarg Timurs öffneten. Sollte die Totenruhe gestört
werden, würden Geister des Blutvergiessens und des Todes geweckt.
Das Grab wurde trotzt allen Warnungen am 21. Juni 1941 geöffnet. Am
darauf folgenden Tag überfiel das Deutsche Reich die Sowjetunion –
kein Zufall in den Augen der Einheimischen.
Der Enkel und Gelehrte
Ulugbek ist in Samarkand die zweitpopulärste Persönlichkeit nach
seinem kriegerischen Grossvater. Auf einem Hügel etwas ausserhalb
der Stadt liess er ein Observatorium errichten, mit dessen Hilfe die
Koordinaten von über 1000 Sternen erstellt werden konnte. In seiner
Regierungszeit erlebte die Stadt Wohlstand und kulturelle Blüte.
Ende des 15. Jahrhunderts regierte der letzte Timuride. Anfangs des
18. Jhd. Verödete die Stadt und wurde schliesslich 1868 dem
Russischen Reich einverleibt.
Die
Denkmäler sind in der Stadt weit verteilt. Eine Fahrt und hie und da
auch ein Spaziergang lohnen sich, um nicht nur das Leben der
Einwohner kennenzulernen, sondern sich auch an den Gebäuden aus der
Zeit der Zaren zu erfreuen. Samarkand ist eine Stadt wie Granada in
Spanien, es lohnt sich hier einige Tage zu verweilen.