Plastikfelder auf Ewig

29.07.2023

Bei den Beatles hiess es noch Strawberry fields forever - Nothing is real - And nothing to get hung about. Das war im Jahre 1967 und die Songwriter Paul Mc Cartney / John Lennon wussten nichts von einem Paco El Piloto der bereits im Jahre 1963 in Roquetas del Mar das Treibhaus für den Gemüseanbau erfand.

Paco war Maschinenmechaniker auf einem Fischkutter und Hirte, bis ihn Franco zum Gemüsebauer machte. Für ein trockenes Land mit salzhaltigem Wasser, in dem kaum etwas wuchs, wurde ihm das Nutzrecht übertragen. Paco versuchte aber immer das Beste aus jeder Situation zu machen und teilte sein Stück Land in drei Teile. Das eine bearbeitete er wie alle seine Nachbarn, beim zweiten legte er einen Plastik direkt über das Feld und beim dritten baute er mit Hilfe seines ein Gerüst aus Bambus und Eisen und legte den Plastik einige Meter vom Boden über die Stangen. Das Ergebnis war, die Saat unter dem Plastikzelt brachte doppelt so viel Ertrag als das Stück Feld mit traditioneller Bearbeitung.

Es war der Beginn des Wunders von Almeria, das mit der Idee von Paco auf dem Weg war, zum Obstgarten Europas zu werden. Die Nachbarn staunten nicht schlecht und beauftragten Paco ihnen auch ein solches Wunderzelt zu bauen. Bis La Rabita in der Provinz von Granada gelang die Geschichte des Erfolges. Paco wollte seine Idee nicht patentieren, sondern fand, dass alle Bauern wie er von dieser Technik profitieren sollen und so sich und ihre Familien besser ernähren können.
Paco starb in den 1970er Jahren und konnte nicht miterleben, wie seine Erfindung den Westen von Almeria und die Küste von Granada veränderte. 1973 waren bereits 800 Hektaren unter Plastik, heute sind es über 300.000 Hektaren. Die Plastikfelder zwischen Motril bis Almeria sind das einzige menschliche Werk, welches vom All aus gesehen werden kann. Almeria ist heute die Provinz Andalusiens mit den meisten Unternehmen, die im Jahr mehr als 100 Millionen Euros in Rechnung stellen. El Ejido, einst ein kleines Wildwestdorf am Rand der Hauptstrasse Cadiz - Barcelona hat sich zur Hauptstadt unter Plastik entwickelt. Hier finden sich Geschäfte, welche sonst nur in Madrid und Barcelona zu finden sind. Die Ausfallstrassen sind von allen Luxusautomarken links und rechts belegt. Der kleine Fischerhafen ist heute ein Jachthafen. Die Bauern aus der Zeit von Paco sind heute Millionäre.

Wer auf der Autobahn entlang der Mittelmeerküste fährt, kann selber erleben, wie es um den Gemüsegarten Europas steht. Die Strassenführung liegt viele Kilometer hoch auf den Bergen. Die Reisenden haben freie Vogelsicht auf das Umland und das Meer. Jeder noch so kleine, fast ebene Fleck ist zugebaut. Dazwischen erheben sich kleine Dörfer, Häfen und Strände voller Sonnenschirme. Nur wenn der karge Berg steil ins Mittelmeer abfällt, findet das Auge Ruhe von den weissen Flecken und freut sich an der kargen Landschaft.
Das erste Treibhaus von Paco wurde dank Hilfe aus Holland weiterentwickelt. Es sind keine vom Wind verwehten Plastikstreifen mehr zu sehen. Die Mauern sind aus solidem Bauwerk, das Dach gleicht einer marokkanischen Chaima. Die Temperaturen und die Bewässerung werden von Computern gesteuert, das sich neu entwickelte Ungeziefer wird biologisch bekämpft. Damit die Tomaten und Gurken preiswert in Mitteleuropa in die Läden kommt, muss der Faktor menschliche Arbeitskraft möglichst ausgeschaltet werden, denn dies ist auch hier der höchste Posten in den Berechnungen der Preise. Einige der Pioniere aus El Ejido sind daher bereits vor ein paar Jahren nach Marokko ausgewichen, wo die Arbeitskraft um einiges preiswerter ist als in Spanien. Selber habe ich bereits spanische Unternehmen getroffen, die im Senegal Wassermelonen für den europäischen Markt züchten. Denn welcher Europäer will an Weihnachten schon auf exotische Früchte und Gemüse verzichten!

Plastik hat in wenigen Jahrzehnten aus einem der ärmsten Teile Europas einen der reichsten Gegenden gemacht. Die Natur wurde nicht gefragt, was sie dazu meint, sie wurde vom Menschen überlistet und ausgenutzt. Die Endabrechnung ist noch nicht geschrieben.