Opferfest
Das
Opferfest
ist
der wichtigste Feiertag im Islam.
Es ist das nächste religiöse Fest nach dem Fastenmonat Ramadan. Weltweit
feiern gläubige Muslime bis zu vier Tage lang das Fest,
welches
seinen Ursprung beim Propheten
Abraham
hat.
Abraham vertraute Gott ausnahmslos und war sogar bereit gewesen,
seinen Sohn Ismael
zu
opfern, als Gott ihn darum bat. Als Gott den Treuebeweis Abrahams
erkannte, verhinderte er im letzten Augenblick das menschliche Opfer.
Abraham schlachtete aus Dankbarkeit stattdessen ein Schaf. Die
Bindung Isaaks zu Gott hat seinen Ursprung in der Thora und findet
sich wieder im Alten Testament, Genesis 22, 1-19.
Im Koran wird die Geschichte in der Sure 37, 101-113, erzählt.
Die
Geschichte, die dem Opferfest zugrunde liegt, war und ist prägend
für drei Weltreligionen: das Judentum, das Christentum und den
Islam. Für den Propheten Mohammed war die Opfergeschichte so
zentral, dass er die Gläubigen anwies, das Fest jedes Jahr zu feiern
- und zwar 70 Tage nach Ramadan, nach dem Fastenbrechen.
Die vergangenen Opferfeste, welche ich beiwohnen durfte, fanden auf
dem Land statt.
Da waren Schafe allgegenwärtig und die Bewohner des
Dorfes wuchsen mit ihnen auf.
Dieses Jahr bin ich in einer Stadt mit
rund 200'000 Einwohner in einem Arbeiterviertel mit Wohnhäusern bis
zu sechs Stockwerken.
Das Opferfest fordert heute an jeden
erwachsenen Mann, der einer Familie vorsteht, ein finanzielles Opfer.
Lagen die Preise für einen Schafbock vor der Pandemie noch bei rund
200 Euros, sind dieses Jahr erneut die Preise gestiegen und unter 350
Euros gibt es kein Tier zu kaufen. Bei monatlichen Einkommen von
unter 200 Euros ist dies viel Geld. Dazu kommen die unzähligen
Kleinigkeiten, welche gekauft werden müssen. Angefangen bei den
Getränken, dem Brot, Gemüse und Früchte. Holzkohle und Gas für
das Feuer.
Schleifen der Messer, Spiesse, Speiseöl und Spenden an
Dritte.
In der Nähe der Wohnung, in der ich bei einer Familie mit drei erwachsenen
Kindern eingeladen bin, steht die Moschee des Viertels. Pünktlich
weckt mich am Morgen der Muezzin mit seinem ruf zum Gebet. "Gläubige
erhebt Euch, kommt zum Gebet!" Der Ruf zum gemeinsamen Gebet wird
heute früh vom Blöcken der Schafe begleitet. Im Innenhof, auf den
Balkonen der Küchen warten unzählige Schafe auf das, was da kommen
soll. Gestern noch waren sie bei ihrer Herde. Sie wurden mit
Kleinlastern in die Quartiere gefahren und vom neuen Besitzer in die
Wohnung geführt. Scheu trottet das Tier in die Wohnung, beschnuppert
seine neue Umgebung und labt sich zuerst einmal am Wasser, das ihm
geboten wird.
Er fühlt sich fremd, vermisst seine Genossen. Aber wo
es was zu essen gibt, da scheint er sich wohlzufühlen. Die Mutter
vergass den Gemüsewagen mit Kartoffeln und Zwiebeln in die Küche zu
fahren. Dem Schafbock scheinen die Zwiebeln zu schmecken. Vielleicht
verleiht die Zwiebel so seinem Fleisch für das morgige Fest einen
besonderen Geschmack.
Am Opferfest nach dem Morgengebet bleiben die Männer für das Festgebet in der Moschee. Das Festgebet wird stimmhaft vorgelesen und besteht aus einer zweiteiligen Aussprache. Wieder zu Hause folgt die rituelle Schlachtung des Tieres. Der Kopf des Schafes wird dabei Richtung Mekka gelegt. Im privaten Kreis übernimmt immer das älteste männliche Mitglied der Familie die Schächtung des Tieres. Mit einem speziellen Messer durchschneidet er quer die Halsunterseite, sodass Luft- und Speiseröhre getrennt werden und das Tier ausblutet. Der Verzehr von Blut ist im Islam und Judentum untersagt. Bei der Enthäutung hilft die ganze Familie. Das Tier wird mit Hilfe einer Fahrradpumpe aufgeblasen, so lässt sich das Fell leichter vom Körper entfernen. Einmal das Fell abgezogen, wird der Magen geleert, Herz, Nieren, Leber, Magen und Kutteln. Die Innereien sind dann auch die ersten als Spiesse kommenden Speisen auf dem Holzkohlenfeuer. Der Kopf des Tieres wird angebrannt, um so die Haare zu entfernen. Der penetrante Geruch bereitet sich im gesamten Viertel aus. Die kleinen Kinder spielen in der Zwischenzeit im Treppenhaus und auf der Strasse Schaf und Schlächter.
Mit
dem Opferfest in Verbindung steht die Pilgerfahrt nach Mekka: Der
Hadsch gehört neben dem öffentlichen Glaubensbekenntnis, dem
täglichen Gebet, dem Fasten im Monat Ramadan und der Unterstützung
von Bedürftigen zu den fünf Säulen des Islam und findet einmal im
Jahr im letzten Monat des islamischen Mondkalenders, dem Dhul-Hidscha
statt. Das Opferfest ist der Höhepunkt des Pilgermonats. Mit
Opfergaben erinnern die Muslime an die Bereitschaft Ibrahims, seinen
Sohn Gott zu opfern.
Ich wünsche all meinen muslimischen Freunden
und Bekannten ein friedliches Opferfest mit der Familie.