Montalegre
Nach drei Tagen Ruhezeit mit viel Regen geht es heute Sonntag weiter nach Montalegre. Gleich nach Bustelo führt die Strasse steil in die Höhe. Der Motor des J9 ist noch kalt und wie ein junges Fohlen nimmt er die Steigungen raus aus dem Nebel, leider nicht rein unter die Sonne, sondern unter noch mit Wolken behangenen Himmel. Wenigstens entfliehe ich ein wenig der Feuchtigkeit und geniesse die Fahrt durch das grüne Land bis zum National Park Gates.
Montalegre
empfängt mich mit seiner sonntäglichen Ruhe. Das Museum und das
Informationsbüro für lokalen Tourismus scheinen noch zu schlafen,
die Mitarbeiter bereiten mir aber einen herzlichen Empfang. So schaue
ich mir das Museum auf drei Etagen als einziger Gast gerne näher an
und interessiere mich vor allem um die örtliche Kultur, Geschichte
und Gegebenheiten. In der gleich daneben liegenden Burg finden sich
erste einheimische Besucher. Die verbliebenen aus Steinen bestehenden
Burgelemente sind durch stählerne Elemente wie Treppen und Rampen
gut erreichbar. Ein Rundgang über die Mauerreste und die
Besichtigung der Türme sind lohnenswert. Nach den vergangenen
regnerischen Tagen zeigt sich ein herrlicher Rundblick auf die
Umgebung. Die Hinweistafeln auf portugiesisch und englisch, helfen
einen Überblick auf diese Gegend zu machen. Das Dorf für sich
scheint ausgestorben. Die Restaurants sind für die sonntäglichen
Besucher vorbereitet, die lassen aber wohl noch auf sich warten und
für mich ist es noch etwas zu früh für ein landestypisches
Mittagessen. Interessant ist für Menschen, die an Hexen glauben, in
Montalegre, immer wenn der 13. eines Monats auf einen Freitag fällt,
wird Hexensabbat gefeiert!
Ich nehme den Weg zum Albufeira do Alto Rabago und an dessen westlichen Ufer finde ich ohne Probleme das
mir empfohlene Restaurant Sol y Chuva. Wobei es sich hier nur um
Sonne handelt, denn Regen ist weder beim Essen noch bei der Bedienung
angesagt. Auch als Einzelgast werde ich herzlichst empfangen und
gebeten, den mir angenehmsten Tisch auszuwählen. Die Tagesmenüs
sind zwar für zwei Personen ausgelegt, können aber ohne Probleme
auch für einen einzelnen aufgetischt werden. So gönne ich mir ein
Zicklein vom Ofen mit Kartoffeln und dem obligatorischen Reis und
dazu eine Flasche Vinho Verde Tinto! Das Essen ist nur vom besten und
die Bedienung einmalig. Trotz der vielen Gästen wird ruhig und
zuvorkommend bedient. Ich fühle mich als ein willkommener Gast.
Nach dem Essen und vor allem dem einmaligen spritzigen Wein fahre ich ein paar Kilometer weiter und bei der erst besten Gelegenheit parke ich und halte eine Siesta. Das ist einer der Vorteile, wenn man im Camper reist. Das Bett ist immer bereit! Als ich nach einer Stunde erwache, regnet es leicht. Auf der nahen Wiese fressen Kühe und werden von einem Hirten mit Hunden bewacht. Neben dem Fahrzeug gibt es noch am Schattenhang waschsende frische Brombeeren, sehr frisch und als natürlicher Nachtisch sehr bekömmlich. Noch wenige Kilometer trennen mich von Bustelo. Nicht dem Bustelo, wo ich die letzten Tage verbrachte, sondern der Heimatort eines mir bekannten Portugiesen aus der Schweiz. Eusebio warnte mich zweimal, erstens, dass ich sein Dorf nie finden würde und zweitens, dass es mir nicht gefallen würde. Zweimal hat er sich getäuscht. Gefunden habe ich es und nicht nur sein Dorf, sondern auch seine Familie. Gefallen? Bustelo ist ein Bauerndorf. Die Einwohner leben von der Landwirtschaft und von der Viehzucht. Die Häuser sind aus Stein, die Strassen mit Steinen gepflastert und mit Kuhfladen bedeckt. Die Kirche ist klein, der Friedhof geschlossen und eine Kneipe findet sich nicht. Dafür findet sich eine angenehme Ruhe, Freundlichkeit der Einwohner, Einfachheit und Zufriedenheit. Ich bin nicht geblieben. Irgendwie fühlte ich mich wie ein Eindringling in die Welt meines Bekannten. Ich fühlte, dass er sich auf eine unnötige Art für seine Heimat schämte und sich nicht vorstellen konnte, dass ich als Mitteleuropäer diese Art von Leben liebe, mir aber lebhaft vorstellen konnte, dass er als junger Mann aus dieser Gegend ausgezogen ist, um sich in meiner Heimat ein besseres Leben aufzubauen.
Das Leben spielt verrückt. Was dem einen lieb, aber unangenehm, ist dem andern lieb, aber peinlich. Ich habe mich entschieden weiter zu reisen und das, was ich hier in wenigen Minuten gespürt und erleben durfte in mein Herz zu schliessen, nicht aber zu überreizen. Mein Weg führte mich über kurvenreiche und teilweise sehr steile Strassen durch den Nationalpark Gates. Auf einer der vielen Passhöhen fand ich einen Platz und genoss den Sternenhimmel. Am kommenden Morgen lag erneut ein Nebelmeer unter mir und meine Reise konnte weiter gehen.