März 2020

31.03.2020

Meine ersten Blogeinträge noch unter der alten Seite, www.nebenstrassen.com, sind vom Text her sehr kurz gehalten. Aufgrund eines finanziellen Aspektes und um durch Verbesserung der vorliegenden Webseite, fasse ich die früheren Blogeinträge in Monate zusammen:

16.03.2020
Upps, da ist nicht nur mir etwas dazwichen gekommen. Der Corona-Virus hat mich eiskalt hinterrücks überfallen. Fühle ledrige Haut, ausgeleiert meine Träume, die vorgestern noch so lässig und kraftvoll wirkten.
Zweite Hälfte Februar lag schon etwas in der Luft, Meldungen aus dem fernen China, erste Anzeichen, der Verkauf stagniert. Dann, der Schrecken, die Fasnacht 2020 wird in Basel abgesagt, die Wirtschaft bricht für 72 Stunden zusammen! ..und, erholt sich nicht mehr!
Die Ereignisse überschlagen sich, zuerst im Wochentakt, dann jeden Tag was Neues, dann im Stundentackt und bald sind wir im Minuten- und sogar Sekundentackt.
Dazu hat das Wetter die Frechheit die Karte Frühling auszuspielen. Sonne, erwachende Natur, Wärme, Blüten und Blumen, frisches Gras, endlich dem kalten, unfreundlichen Winter entrinnen. Aber, wer hat da Lust auf diese Aufmunterung der Natur, wenn in seinem tiefsten Innern eine Unsicherheit wächst, jedem der feste Boden unter den Füssen weggezogen wird.
Leere, endlose Leere begleitet uns auf Schritt und Tritt.

18.03.2020
Der Bundesrat enschied vor ein paar Tagen entscheidende Massnahmen für unser Land und über Nacht wurde das ganze Land auf Null gefahren. Da montags sowieso Ruhetag ist, ging irgendwie alles wie normal. Am kommenden Tag räumte ich mein Restaurant auf, Kunden schauten rein, Blicke zu Boden, tut mir leid, hoffen wir das Beste, bleib gesund!
Nach Hause fahren war ein bisschen wie in die Ferien Fahren, aber mit einem bitteren Geschmack nicht nur auf der Zunge, auch im Herzen.
Der Rest des Tages und Mittwoch waren geprägt von Papierkram. Arbeitsamt, Kurzarbeit, Kunden, Lieferanten, Bank, Gewerbeverband, Freunden, Familie,...
Dazwischen immer wieder das Handy nach neuen Nachrichten checken, Zeitungen aus aller Welt konsultieren, sich informieren.

19.03.2020
Ausschlafen, das gönne ich mir. Der ganze Tag liegt vor mir, keine Termine, keine Verbindlichkeiten, kein Stress, Ruhe. Diese Ruhe muss aber organisisert werden. Der Mensch neigt zur Tendenz faul zu sein, Aufgaben aufzuschieben, morgen es zu erledigen. Da ich selber zu dieser Art von Mensch gehöre, ist es mir wichtig, einige Punkte vorzunehmen, welche ich jeden Tag erledigen will und muss. Geschäftlich liegen wieder Formulare der RAV vor. Der Jüngste hat gestern vom Klassenlehrer eine Kiste voll Bücher und eine Mappe voll Hausaufgaben bekommen. Die wollen sortiert sein. Der Koffer mit den alten Fotos auf CD gebrannt, wollen in die Dropbox verschoben werden. Endlich im neuen Buch von Beat Portmann, Über Nacht, weiterlesen. Beginn des Block auf meiner neuen Webseite, welche ursprünglich für was anderes gedacht war. Hoffentlich gilt hier aufgeschoben nicht aufgehoben.
Um den Informationsfluss zur Lage der Nation, zur Welt bewältigen zu können, habe ich mir die Zeit beim Frühstück, nach dem Mittagessen und vor dem Fernseher nach dem Abendessen vorgenommen. Zwischendurch, so wenig als möglich zum Handy greifen, ausser es gibt live neues aus Bern! 

20.03.2020
Von über 100 auf Null kam zu schnell, viel zu schnell. Nachwehen sind Arbeiten, sprich Bestellungen, die noch vergangenes Jahr getätigt wurden, deren Lieferung nun kommen. Geliefert an die Adrese eines geschlossenen Retaurants, herrliche 720 Flaschen Rotweine aus der DO Ribera del Duero, welche jetzt im Keller stehen.
Aber, auch dies bedeutet eine neue Herausforderung. Webseite anpassen, Online-Ladenverkauf mit Hauslieferung innerhalb der Region.
Die kommenden Tage habe ich was zu tun! Freue mich drauf!
Übrigens, war heute im Zentrum im Supermarkt, musste 3 Minuten draussen warten, bis ein anderer Kunde mit seinem Einkauf rauskam. Drin waren alle Regale voll, Gemüse, Obst, Brot, Wurst, Käse, Joghurt, Eier, Mehl, Klopapier, alles war da! Und, der Einkauf war gemütlich, kein Stossen, Schieben, vor der Nase wegnehmen. Schöne heile Welt! Fast....

21.03.2020
Wenn mein Vater in den Zweiten Weltkrieg ziehen konnte und dabei seine Jugend versaute, kann ich auch ein paar Tage oder Wochen zu Hause auf meinem Arsch sitzen!
Krieg in meiner persönlichen Erinnerung gibt es nicht. Bin 1961 geboren. Gelesen und im Kasten aus der Ferne gesehen klar, bis heute, bis Syrien. Jemen, Gaza, Ukraine, Südsudan, Irak, Lybien, Elfenbeinküste, Pakistan Kongo, Libanon, Tschad, Darfur, Afghanistan, usw. und dies sind lediglich die Kriege und Schlachten im 21. Jahrhundert.
Gemäss Wikipedia waren gewaltsame Auseinandersetzungen mit auswärtigen Feinden etwas Alltägliches in den nomadisierenden, aber auch den sesshaften Gesellschaften der Frühgeschichte und des Altertums, die keine klar definierten Grenzen hatten und deren Schutz von einer Kriegerschicht gewährleistet wurde, deren gesellschaftliche Stellung davon abhing, dass sie sich militärisch bewährten. Dies bereits um 735 v.Chr. mit dem ersten Messenischen Krieg. Sparta gegen Messenien.
Heute die Welt gegen einen Virus. Oder, ist der Virus nur das Banner, welches im gegnerischen Heer getragen wird? 

22.03.2020
Heute ist Sonntag, Geburtstag meiner Schwester, und, draussen herrscht absolute Stille. Stille die tötet, Stille die bedrückt, Stille die zerrissen werden will. Endlich, ein Auto fährt vor dem Haus vorbei Richtung Innenstadt. Tönt wie der Einschlag einer Bombe, zerreisst endlich die Stille. Danach ist die Stille noch präsenter, mir tun die Ohren weh!
Bereite das Frühstück vor, ich handwerke mit der Pfanne für die Milch, lasse die Kaffeemaschine zischen, Teller klirren, Geschirr fällt auf den Tisch, Tassen stossen zusammen, Alltag, Alltag, Alltag! Musik aus dem Radio, Jalousien werden hochgezogen, die Spüle im Badezimmer, der kalte Wasserstrahl ins noch müde Gesicht. Meine kleine heile isolierte Welt erwacht. Endlich. 

23.03.2020
Einfach ist es, nur zu Hause auf dem Sofa liegen und faulenzen. Gut, gestern war Sonntag, wenn das Wetter nicht mitspielt, so wie gestern, war es fast ein normaler Tag. Ausser kein Fussball im Totomat, kein Skirennen im Fernsehen. Darum war es für heute Montag umso wichtiger, wieder einen normalen Tagesablauf zu planen, das Leben zu strukturieren. Nach dem Frühstück Badezimmer, nach zwei Tagen ohne rasieren, ..... ins Restaurant, sehen ob alles in Ordnung ist. Auf die Post, Bank, kleine Besorgungen machen und zum Mittagessen wieder zu hause sein.
Nach dem Essen an den Computer, Büroarbeiten erledigen und, endlich den Online-Shop für den Weinverkauf aufschalten:https://www.lataberna.ch/la-taberna/ erstellen.
Die Struktur steht, 80 % der Weine sind erfasst, fehlen die restlichen, Fotos müssen vereinheitlicht werden. Text ergänzt, bis Ende dieser Woche soll das Werbemail an die Kunden raus, denn hier sollte wieder einmal etwas Geld rein! So, 18 Uhr, für einen Bürotag heisst es Feierabend!
Mal sehen was es Neues auf der Welt gibt....

24.03.2020
Velo, Rad, Bici, oder wie das Ding auch immer heisst. Jeder hat eins oder sogar zwei und den ganzen Winter lag, stand es irgendwo draussen oder im Keller. Meines hat die kalte Jahreszeit gut überstanden, nur die Räder waren platt. Der nächstgelegenste Velomech war auch das Rad schiebend gut erreichbar und so freundlich, wie er ist, steht eine Handpunpe auch bei geschlossenem Geschäft vor der Tür. Je zweimal 20-mal pumpen und die Reifen sind gefüllt. Hoch auf dem Sattel über die Rheinbrücke fahren, durch Kleinbasel kurven und die leichte Steigung hinauf bis nach Hause fahren. Rote Hände von der Kälte und das Herz, uf das Herz, das Herz pumpt wie wild! Das Blut fliesst in den Kopf, von da runter in die Füsse. Langsam beruhigt es sich. Selber schuld, seit Sommer nur noch Auto gefahren, kaum aufs Rad gestiegen und jünger werde auch ich nicht. Corona-Zeit wird zur Radzeit!

25.03.2020
Die Zeit steht still. Genügend Zeit sich zu besinnen, zurück zu denken, was war gestern, was war vor 40 Jahren? Dazu kommen automatisch die Fragen nach dem wenn dies und das nicht gewesen wäre, wo würde ich heute stehen? Es ist aber schon schwierig sich zum Beispiel 40 Jahre zurück zu versetzen und sich zu überlegen, was ich mit 19 getan habe oder eben nicht.
Die Erinnerungen vermischen sich, lassen sich nicht alle exakt dem Jahr 1980 zuordnen. War dieses Ereignis nicht schon früher oder war es vielleicht doch erst später gewesen? Es gibt Fragmente, da bin ich mir ganz sicher und ich sehe sie vor meinem inneren Auge als ob es gestern gewesen wär. Bei anderen muss ich mir markante Abschnitte meines Lebens in Erinnerung rufen, wie zum Beispiel die RS und so kann ich bestimmter sagen, ob es vor oder nach dieser Zeit war. Es ist Zeit diese Erinnerungen auf Papier zu bringen, damalige Freunde und Bekannte zu Fragen und so ein Bild von Früher auf die Leinwand zu bringen. Packen wir es an, die heutige Situation hat uns dies zu Geschenk gemacht. 

27.03.2020
Falsche Richtung! Nein, ich kenn da einen Umweg und beschleunige den Wagen. Im heutigen Heute spielt Zeit keine Rolle mehr. Zeit haben wir genügend, Zeit haben wir zu viel. Daher ist ein Umweg gar kein Umweg, sondern ein neuer Weg dort hin zu kommen, wo auch die richtige Richtung hingeführt hätte. Falsche Richtung!
Was ist heute falsch, was ist richtig? Was darf ich glauben, was soll ich anzweifeln? Fragen ohne Antwort, die einen Umweg brauchen. Auf Umwegen ans Ziel gelangen ist ein neues Gefühl. Vorbei ist die Aufregung weil man den Bus verpasst hat und auf den nächsten volle drei Minuten warten muss. Ob Frühstück um 7 oder um halb neuen. Da ist kein Unterschied. Mittagessen gibt es, wann der Hunger ruft. Abendessen das gleiche. Dazu aber bitte Wein!
Zeit für mich, für all die kleinen und grossen Dinge, für welche in den letzten Jahren keine Zeit war. Vom Ferrari zurück zur Pferdekutsche. Vom Hetzen zum langsam besinnlichen vor sich hin träumen. Ich kann mich an die neue Art Leben gewöhnen! 

29.03.2020
Ich habe mir wieder einmal zwei Zeitungen nach Hause mitgebracht. Die eine Lokal, liegt jeden Tag gratis in meinem Briefkasten des Restaurants. Ich lege sie immer brav für meine Gäste auf, damit das Warten bis zur Vorspeise beim Mittagessen etwas verkürzt werden kann. Dabei ist die lokale Zeitung gar nicht mehr lokal, gehört sie doch zu einem grösseren Verbund und hie und da sind die Artikel gar nicht Basel relevant, sondern eher vom Mutterhaus aus Zürich aufgezwungen.
Die zweite Zeitung, welche ich am kKiosk erstand, ist eine, welche ich digital nicht verfolge. Die Zeit für stolze 7 sfr 90! Da musste ich gleich mal leer Schlucken, denn wie lange hatte ich keine Zeitung mehr gekauft!
Gerne lese ich Nachrichten auf dem Handy. Früher war es noch der Computer, dann das Tablett, heute das Handy. Zwei- bis vier Mal gilt die Lektüre schweizer Herausgebern, dann folgt ein bis zwei Deutsche, zwei Spanier, und je nach Weltlage, also zur heutigen Zeit immer, noch ein Franzose, ein Italiener und ein Marokkaner. Zeit habe ich ja genung und dank der Globalisierung kommen mir, nach der ersten Lektüre die Artikel in den restlichen Tageszeitungen nicht mehr spanisch vor, sondern sie gleichen sich wie ein Ei dem andern. Hie und da finde ich unter all den weissen Eiern auch mal noch ein braunes! Das tut gut!
Zurück zu heute und hier: meine Hände riechen nach Druckerschwärze, die Seiten rascheln zwischen meinen Seiten. Lese mich von Kommentar zu Kommentar, welche es zum guten Glück in Die Zeit genügend gibt. Vielleicht etwas zu sehr auf Deutschland zugeschnitten, aber der Virus kennt ja keine Grenzen, wenn auch diese für die Träger und Nicht-Träger geschlossen sind.
Ausser der Lektüre, welche zum denken, nachdenken und überlegen gibt, kommen Erinnerungen in mir hoch. Mein Vater, jeden Abend mit der Tageszeitung am Tisch sitzend und dazu Radio Beromünster im Hintergrund. Sonntägliches Zeitungskaufen während meiner Jahre in Spanien. Dicke Sonntagszeitungen, dazu eine hauseigene Zeitschrift. Zeitung lesen am Frühstückstisch, im Café, in der Bar zum ersten Glas Wein, am Strand mit einem kühlen Bier. Ach, wie herrlich waren diese Sonntage!
Zeitung lesen in der DB mit den aufgelegten Gratiszeitungen in der 1. Klasse. Zeitunglesen auf den vielen Geschäftsflügen, wo leider ein paar Ausgaben, dank deren Grösse, nicht den Weg in den Flieger schafften.
Und, Erinnerungen: Randnotizen, ausgerissene Artikel, aufgesparte Kommentare, die Aktentasche gefüllt mit journalistischen Schätzen, welche dann zu Hause und im Büro auf einem Stapel landeten. meistnes dort vergilbten und irgendwann entsorgt werden mussten.
Zeitungspapier raschelt in meinen Händen, ich weiss nicht wie sitzen, denn mit dem Handy geht alles so schön im halbliegen!

31.03.2020
Der Monat März 2020 geht wohl, wie alle anderen auch, in die Geschichte ein. In 31 Tagen ist so aber viel geschehen, wie normalerweise in 31 Wochen nicht. Ende Februar wurden uns bereits die ersten Tage März gestohlen. Um 72 Stunden Fasnacht beklaut. Start des Sinkflug ins Ungewisse. Zwei Wochen, wo ich nicht wusste wo ich stehe, was der Morgen bringt. Dann der Hammerschlag, umgehender Schluss all meiner gastronomischen Aktivitäten. Als ich das Restaurant dicht machte, fühlte ich mich auf der Heimfahrt wie am Anfang von Ferien, nur, dass es kein Ferienanfang war, sondern der Start zum Überlebenskampf. Dies erst einmal mit unzähligen Formularen ausfüllen, Arbeitslosenkasse für Familie, Mitarbeiter und Freunde. Neue Verordnungen, neue Formulare. Erstere waren nun eigentlich veraltet, aber im Umlauf. Neue Möglichkeiten, neue Gesuche stellen. Wirklich, einige gingen, wie versprochen, rund über die Bühne, wenn auch nicht im 30-Minuten-Takt, wie versprochen. Bei anderen liegt alles noch in der Schwebe. Gestern gab es von Seiten der RAV zwar ein paar Telefonate mit Rückfragen. Der versprochene Bescheid in Briefform ist heute aber nicht angekommen. Wie geht es vor allem finanziell weiter. Welche Absicherungen habe ich schlussendlich und für wie lange?
Die Frage nach der Zeit, nach dem Ende ist sowieso die essenzielle Frage, welche mich beim einschlafen beschäftigt und die erste ist, welche am Morgen die verschlafenen Hirnzellen erwachen lässt. Ungewissheit!