K.

17.12.2024

Wenn Elon Musk und Vivek Ramaswamy in zwei Jahren die amerikanische Bürokratie verschlankt und ihr Erfolgssystem in andere Länder verkauft haben, werden sie sich sicher auch an Franz Kafkas Roman Das Schloss wagen. Von den rund 300 Seiten werden dann etwa 50 Seiten für den Leser übrig bleiben, denn im Roman wimmelt es nur so von der allgegenwärtigen Verwaltung.

K. ist die Hauptfigur des Romans, einer der drei unvollendeten Romane Franz Kafkas. Er wurde 1922 geschrieben und 1926 von Max Brod posthum veröffentlicht. Der Roman schildert den vergeblichen Kampf des Landvermessers K. um die Anerkennung seiner beruflichen und privaten Existenz durch die politischen Repräsentanten im geheimnisvollen Schloss.

K. kommt in einer Winternacht zu Fuss in ein ärmliches Dorf, über dem ein gräfliches Schloss thront. Er möchte im Gasthaus, in dem er Unterschlupf gefunden hat, übernachten, wird aber bald von einem Vertreter des Schlosses geweckt, der ihn nach seiner Aufenthaltsgenehmigung fragt. K. stellt sich als der vom Grafen beauftragte Landvermesser vor. Nach zwei Telefonaten mit dem Schloss wird dies bestätigt und K. darf bleiben.

So gerät K. schon auf den ersten Seiten des Romans in die Fänge der örtlichen Verwaltung. Eigentlich wollte er sich direkt beim Grafen melden, doch schon der Weg zum Schloss erweist sich auf unerklärliche Weise als unmöglich. K. gerät kurz nach seiner Ankunft in die undurchschaubaren Mühlen der gräfischen Verwaltung. Seine erste Kontaktaufnahme durch den Sohn eines Kanzleimitarbeiters führt zu dem erwähnten Telefongespräch mit dem Kastellan, das nicht zustande kommt, weil dieser schläft, aber ein Unterkastellan kann weiterhelfen. Ein Bote überbrachte ihm am nächsten Tag einen Brief, der ihn zum Dorfvorsteher und zum Dorfschullehrer führte.

In seinem Bemühen, sich als Einwohner zu legitimieren, ist K. jedes Mittel recht. So lässt er sich mit dem Schankmädchen Frieda ein, die angeblich die Geliebte des höheren Schlossangestellten Klamm und Verbindungsmann zum Dorf ist. K.s ganze Bemühungen richten sich nun darauf, einen direkten Zugang zu Klamm zu bekommen. Vergeblich lauert er ihm auf. Er führt lange Gespräche mit verschiedenen Personen. So erfährt er mehr über die Mechanismen des Dorflebens und dem Verhältnis des Dorfes zum Schloss.

Erst die Vorladung durch einen der zahlreichen Sekretäre eines der Beamten des Schlosses scheint eine positive Wendung zu nehmen. Der Termin findet in der Nacht statt, und als K. eintrifft, wählt er zunächst die falsche Tür und stösst auf einen anderen Beamten, der jedoch für K.s Anliegen empfänglich zu sein scheint. Als K. schliesslich der Vorladung Folge leisten kann, wird er jedoch lediglich aufgefordert, seine Geliebte Frieda wieder in der Schank arbeiten zu lassen, damit Klamm sich nicht an neues Personal gewöhnen müsse. Der Beamte lässt K. stehen und so erlebt er die skurrile Szene der morgendlichen Aktenausgabe an die Beamten im Gasthaus.
Er wird aus den Amtsräumen vertrieben und findet im Gasthaus nicht nur einen Platz zum Ausruhen, sondern auch die neue Schankmaid Pepi, die ihm ausführlich erklärt, dass Frieda ihn nur für ihre Zwecke ausgenutzt habe. Ein rätselhaftes Gespräch K.s mit der Wirtin über Kleidung bricht den Roman ab.

Ein von Kafka selbst erfasster Schluss existiert also nicht. Es gibt auch mehrere Stellen im Roman, die von Kafka gestrichen wurden. Ich vermute, dass der Roman, so wie er uns heute vorliegt, von Kafka als unvollendet bezeichnet worden wäre. Der in einigen Ausgaben enthaltene Schluss wurde von Max Brod nach persönlichen Erzählungen des Autors rekonstruiert.

In den ersten Kapiteln wird eine Handlung entwickelt. Die folgenden Kapitel sind dagegen von langen, in sich kreisenden Diskussionen geprägt. Viele skurrile und komische Passagen signalisieren die Ausweglosigkeit der Situation K.s. Ein starkes surreales Moment stellen die in sich verschwimmenden, teilweise unlogischen Orts- und Zeitbezüge dar. Der Leser kann sich aus den Erzählungen ein kleines verschneites Dorf vorstellen. Es gibt zwei Gasthäuser, eines davon nur für die im Dorf weilenden Beamten, aber die Einwohnerzahl schätze ich auf weniger als 200, aber die Dorfschule ist zweiklassig, was auf viele schulpflichtige Kinder schliessen lässt.

Sicher ist, dass die Verwaltung des Grafen mit ihren Beamten, Sekretären, Dienern, Schreibern, Boten und Knechten an Zahl die Dorfbewohner bei weitem übertrifft, da nach der Erzählung nur wenige der Angestellten immer im Dorf wohnen.

Mit der Lektüre des Schlosses habe ich meinen persönlichen Franz Kafka Lesezyklus vorerst abgeschlossen. Kafka ist für mich in gewisser Weise ein sehr menschlicher Schriftsteller. Wie im Schloss stellt der aufmerksame Leser fest, dass sich in den letzten hundert Jahren nicht viel verändert hat. Nur fällt es vielen Lesern schwer, sich die Verhältnisse von damals im Heute vorzustellen. So scheint es im ganzen Dorf nur ein einziges Telefon zu geben, und das auch nur mit einer Festverbindung zu irgendeiner Kanzlei, während im Schloss selbst die Beamten untereinander rege per Telefon kommunizieren. Dagegen sind die Gespräche zwischen K. und den verschiedenen Personen wie Frieda, Olga, Pepi, den Wirtinnen der beiden Gasthäuser und dem Lehrer und einem der Sekretäre auch heute noch aktuell.

Im Prozess wurde Josef K. von den Behörden verfolgt, im Schloss verfolgt K. Die Behörden.