Indianer in Asturien
Zum Glück liegt Asturien und Galizien nicht im deutschsprachigen Raum, ich kann mir vorstellen, dass es dann bald mit den Indianern zu Ende wäre. Aber wir sind hier in Nordspanien am Golf von Biskaya und es werden Sprachen gesprochen, die wir nicht verstehen. So versteht mancher zu Beginn nicht, was Indianer hier verloren haben. Dabei wird das Wort Indianer mit nationalem Stolz ausgesprochen und in Colombres, im Osten von Asturien zur Grenze zu Kantabrien gibt es sogar ein Museum über die Geschichte der Indianer, el Archivo de Indianos - Museo de la Emigracion.
Auf der Suche nach einem besseren Leben wanderten viele Nordspanier ab Mitte des XIX. und bis ins erste Drittel des XX. Jahrhunderts Richtung neue Welt, Amerika aus. Aus allen Teilen des Nordens machten sie die beschwerliche Reise von der später ein kleiner Teil als reiche Leute in die Heimat zurückkehrten. Wer sich auf die Reise nach Amerika begab, wurde als Indianer bezeichnet.
Aufgrund
des starken Wachstums der Bevölkerung und der Knappheit der
Lebensmittel, junge Männer um den 7-jährigen Militärdienst zu
umgehen, andere als Abenteuer und wieder andere auf der Suche nach
der Familie, wanderten aus. Beliebt waren Ziele, wo Spanisch
gesprochen wurde wie Mexiko, Kuba und Argentinien. Durch den engen
Kontakt zwischen den Emigranten konnten die Sprache und die
Traditionen aufrechterhalten bleiben. Viele arbeiteten im Handel. Die
meist jungen Männer fingen bei einem Verwandten oder Bekannten als
Laufjunge in dessen Geschäft an und kämpften sich hoch bis zum
eigenen Laden Geschäft oder Fabrik.
Von
den Millionen Spaniern, die in dieser Zeit auswanderten, kamen wenige
zurück. Wer aber zurück kam, der kam mit Reichtümern zurück, die
er auch zeigen wollte. Er baute sich ein Haus im modernen Baustil. Es
entstanden in den kleinsten abgelegensten Dörfern prächtige
Paläste, riesige Villen und prunkvolle Häuser. Mit diesen Bauten
wurden den anderen Familien gezeigt, dass sie die soziale und
wirtschaftliche Leiter emporgestiegen waren und es im fernen Amerika
zu etwas gebracht haben. Die Architektur entwickelte sich zum Zeichen
des sozialen Ranges. In den weitläufigen Gärten, welche die Häuser
umgaben, wurden exotische Bäume wie Palmen gepflanzt. Auch auf den
Friedhöfen versuchte man durch imposante Grabstätten und
Familiengräber den neu gewonnen Status auch ins Jenseits
mitzunehmen.
Einzelpersonen und Wohlfahrtsverbände investierten aber auch ins Gemeinwohl. Es wurden Strassen gebaut, Plätze mit Brunnen angelegt, öffentliche Waschplätze eingerichtet, Schulen gegründet, ausgestattet und Lehrer eingestellt. Die kommenden Generationen sollten eine Schulbildung erhalten, welche ihre Vorfahren nicht erfahren durften. Krankenhäuser wurden gestiftet und Kurhäuser gebaut.
Die historische Tragweite und das Phänomen der Indianer lässt sich am besten in der vorher erwähnten Stiftung entdecken. Der Eintritt ist hoch, 8 €, aber es lohnt sich. Vor allem der fast einstündige Film über die Geschichte von den ersten Auswanderern in Segelschiffen bis heute lässt den Reisenden die Bauten in den noch zu besuchenden Dörfern und unterwegs an den Landstrassen mit erweitertem Wissen ansehen.
Bereits
die Häuser der Indianer, den Dorfplatz und die Kirche sehe ich nun
mit anderen Augen, die Schlichtheit der Kirche beeindruckt so wie die
Stille im Dorf. Ich verlasse Colombres Richtung Panes und nehme da
die AS-343 welche kurvenreich durch eine einmalige
landwirtschaftliche Gegend führt. Die Strasse führt durch Hügel
und durch Wälder, wo der Asphalt mit Moos bewachsen ist, so wenig
Verkehr geht hier durch. Teile der Strasse sind abgebrochen, aber ein
zu schnelles Fahren liegt nicht drin. Es ist wieder einmal Wochenende
und die Spanier sind unterwegs. Llastres ist ein kleines schmuckes
Fischerdorf steil über dem Hafen, doch wer nicht reserviert hat,
bekommt in den traditionellen Kneipen keinen Tisch.
Villaviciosa
schläft vor 10 Uhr morgens noch. Doch die vielen Cafés und
Restaurants sind auch hier Zeugen von den Gästen, die da noch kommen
werden. Bereits in Kantabrien mache ich Halt in San Vicente de la
Barquera. Am besten gleich am Hafen parken und zu Fuss über die
Brücke in die Stadt spazieren. Nach der Brücke dann gleich rechts
hoch Richtung Festung, alter Stadtmauer und Kirche marschieren. Die
herrliche Aussicht auf das Delta hin bis zu den Picos de Europa lohnt
sich. Im Dorfkern und an einem Sonntag das bekannte Bild. Über dem
Fischerhafen, wohl im Wohnviertel der Fischer, hatte ich eine kleine
Kneipe entdeckt und dort ging ich für Mittagessen hin. Nette
Bedienung, herrliche Meeresfrüchte, Fisch und Fleisch zu
vernünftigen Preisen und dies im Kontakt zur einheimischen
Bevölkerung, die im Dorfkern nicht zu finden ist.