Granada, Spanien
Schon der Name alleine weckt Sehnsüchte. Granada, die letzte maurisch islamische Stadt auf der iberischen Halbinsel wurde am 2. Januar 1492 den katholischen Königen Isabel und Ferdinand übergeben. Somit ging eine reiche heute noch allgegenwärtige Geschichte zu Ende. Boabdil, ihr letzter maurischer Herrscher versuchte vergebens über Jahre hinweg durch Kriege, Intrigen und Versprechungen das Reich zu retten. Geblieben sind uns, nach über 500 Jahren, weltbekannte Monumente wie die Alhambra.
Vom internationalen Flughafen von Malaga umfährt man zuerst die Hafenstadt und kommt dann direkt in das vom Guadalmedina geschaffene Tal, das uns bis über 1000 m Höhe führt. Hochebenen, Täler und Bergketten begleiten uns auf der rund einstündigen Fahrt. Nach Lachar kommt man in die fruchtbare Ebene der Vega, getränkt durch die verschiedenen Flüsse, welche alle in den nahen Bergen entspringen. Auf dem Flachland erwartet uns die Neustadt. Dahinter unterscheiden wir die Hügel des Albaizin und der Sabika, dahinter mit Schnee bedeckt, die alles überragende Bergwelt der Sierra Nevada mit dem Veleta im Mittelpunkt.
Abends herrscht reges Leben in den verschiedenen Kneippen. Das Bier hat den Kampf gegen die alteingesessenen Weine gewonnen. Männer und Frauen stehen an der Theke, sitzen an Tischen im Lokal oder draußen auf der Terrasse. Zu jedem Getränk gibt es eine Tapa. Einen kleinen Happen, der nicht nur als Appetitanreger gilt, sondern vor allem bei den Studenten auch schon mal eine Hauptmahlzeit ersetzt. Je besser und größer die Tapas, desto beliebter die Bar. Desto mehr Besucher und somit für südliche Länder typischen Lärm, der nicht nur vom laufenden Fernseher und der Musik aus dem Radio stammt, sondern auch von der Lebhaftigkeit der spanischen Stimmen.
Alhambra
Die Alhambra ist kein Palast. Die Alhambra ist eine Stadt in sich selbst. Sie besteht aus der militärischen Festungsanlage, den verschiedenen Wachtürmen, die gleichzeitig als Paläste für die Königsfamilie diente. Die eigentliche Palastanlage, die Medina, die Moschee, die Gartenanlagen und Bäder und durch eine Schlucht getrennt, die Sommergärten und -Paläste des Generalife. Den Besuch der letzteren kann man sich für die heiße Mittagszeit aufbewahren. An kühlen Schattenplätzen hat man eine herrliche Aussicht auf die unter uns liegende Alhambra und auf dem anderen Hügel liegenden Stadtteil des Albaizin und Sacromonte.
Um die ganze Macht dieser Stadt zu erfahren geht man am besten zu Fuß vom Plaza Nueva, die Cuesta Gomerez hoch durch das Stadttor Arcos de las Granadas. Steil geht der Weg hoch durch den die Alhambra umringenden Wald, der erst viel später, nach den Arabern, angepflanzt wurde. Durch die Puerta de la Justicia kommt man in die eigentliche Anlage der Alhambra. Bereits dieses Tor zeigt uns die Größe die uns dahinter erwartet. Wuchtige Mauern, ein riesiges Tor und der übliche arabische Eingang um zwei Ecken zeigt uns, dass hier ungewollte Gäste es schwierig hatten einlas zu finden. Mein erster Besuch gilt gleich den Nasridischen Palästen, welche den Kernbereich der Alhambra bilden. Nicht, dass ich das Schönste vorwegnehmen wollte, nutze aber die frühe Besucherzeit um noch vor den unzähligen Touristengruppen, welche in weniger als drei Stunden durchgeschleust werden, die Ruhe, die Größe und die Macht der Paläste zu genießen. Mich hinzustellen, die Fantasie walten lassen und Fotos ohne mit allen möglichen und unmöglichen kopfbedeckten Tagesausflügler zu erhaschen.
Zuerst betrete ich den Mexuar, den Audienz- und Gerichtssaal, der noch relativ nüchtern wirkt, aber bereits einen ersten Vorgeschmack auf kommende Genüsse hinweist. Im, heute in Mudéjarstil gehaltenen, Hauptsaal empfing der Kadi die Untergebenen, welche um Anhörung baten. Der Ratssaal litt im 16. Jh. sehr stark unter der christlichen Umgestaltung. Es wurde hier eine Kapelle eingerichtet. An den Raum schließt sich ein schmaler Gebetsraum mit Ausblick zum Albaizin an. Durch eine Türe gelangt man zum Cuarto Dorado (Goldener Saal). Der kleine Innenhof des Mexuar zeigt die Südfassade des Palastes. Sein übersprudelnder Formenreichtum bei gleichzeitig strenger symmetrischer Ordnung muss frührer noch viel farbenprächtiger gewesen sein. Einmal das Gesehene einigermaßen verarbeitet, wird dies nochmals überboten. Ich gelange in den Myrtenhof (Patio de los Arrayanes), so benannt nach der dem rechteckigen Wasserbecken umlaufenden Hecke aus Myrten. Im Wasser des Beckens spiegelt sich die imposante Fassade der Torre de Comares, welcher mit einer Höhe von 45 Meter der wuchtigste Turm der Festungsmauer ist. Bevor ich in den Botschaftersaal trete, stelle ich mich als wartender Besucher des Sultans vor, der hier die beeindruckende Architektur mit der Verschmelzung des Lichtes, Wasser und Vegetation bewundert. Wie viele Bittsteller haben wohl bereits hier die vorbereiteten Worte vergessen und wären am liebsten wieder raus aus dem Palast?
Löwenhof
Durch ein unscheinbares, schmales Tor gelange ich in den weltberühmten Patio de los Leones. Ich verstumme schlagartig. Ich steht überwältigt da. Blicke nach oben, nach unten, seitwärts, rundum. Ich empfinde einen freudigen Schock. Vor mir sehe ich ein kleines hochstämmiges Wäldchen aus zierlichen Marmorsäulen, verästelnd in einen steinernen höchst phantasievoll verzierten Baldachin. Von Bildern her ist jedem der Löwenbrunnen bekannt. Ihn zu sehen als Zentrum des säulenumfassten Hofes, in Harmonie mit dem Wasser, das aus den zwölf Löwenmäulern sprudelt, in der Sonne glitzert und in die vier Himmelsrichtungen zu den kühlen, ebenso prächtigen Nebenräumen fließt, wird aber zu einem einmaligen Erlebnis. Alle die gelesenen Geschichten über Liebe, Tod, Feste, Gesang, Dichtung und Musik kommen einem in den Sinn. Ich suche mir eine stille Ecke, um all die Gedanken und Bilder, die mir durch den Kopf gehen verarbeiten zu können.
Kommende Gruppen reissen mich aus meinen Träumen. Ich verlasse den Saal, trete ins Sonnenlicht und schlendere durch die angrenzenden Gärten hoch in den Generalife.