Ghardaia - Algerien
Dort, im fesselnden Süden und inmitten der Schönheit der sandigen Oasen, der Glätte, der Weichheit des Glanzes des Himmels und des goldenen Sandes, wurde eine Hymne komponiert, um mit melodiöser Stimme die Wunder einer leuchtenden Stadt zu singen wie ein majestätischer Stein in der weiten algerischen Sahara. Es ist die Stadt Ghardaia, in der alles so beeindruckend und besonders ist, wo die Natur die schönsten Landschaften gemalt, die Sonne ihre schönsten Lichter gewebt und die Schöpfung der Zivilisation ihren Höhepunkt erreichte. Ghardaia zeichnet sich durch seinen attraktiven touristischen Charakter und durch sein grossartiges architektonisches Erbe aus. Wir können dies durch seine fünf Ksour des Mzab-Tals sehen, die wie ein Mosaik erscheinen, dessen Ornamente Schöpfung, Licht und Farben sind.
Vor mir liegt die Fünf-Städte-Oase der Mozabiten. In der Mitte Beni-Isguen, eine kubistische Fata Morgana aus Weiss und Sandbraun vor blauem Himmel. Dahinter, etwas rechts sehe ich Melika und noch weiter im Hintergrund Ghardaia, der grösste Ort, Namensgeber der ganzen Region. Der Fluss, der das Tal mit den Jahrhunderten geformt hat, führt, wenn überhaupt, nur einmal im Jahr Wasser. Der Grundwasserspiegel liegt aber hoch genug, dass die verschiedenen Brunnen über das ganze Jahr Wasser geben.
Besichtigung Beni Isguen
"Liebe Besucher! Palmenhain und Bewohner heissen Sie herzlich willkommen. Wir bitten Sie, unsere Stadt in Begleitung eines örtlichen Führers zu besichtigen." Mit diesen Worten empfängt der Ort den Fremden und bittet ihn zudem nicht zu rauchen und keine Einheimischen zu fotografieren. Bis vor wwenigen jahren wurden nach Sonnenuntergang die Stadttore geschlossen und erst wieder nach dem Frühgebet geöffnet. Fremde dürfen nachts noch heute nicht innerhalb der Stadtmauern bleiben. Die Einwohner heiraten nur unter sich. Den Männern, denen der Besucher begegnet sind alle sehr freundlich und gerne zu einem Gespräch bereit. Es gibt auch, wie überall, viele lärmende Jungen und Mädchen. Frauen sieht man aber sehr selten.
Der Ort wird auch heute noch von einer Mauer total umgeben. Alte Tore,
die den Ein- und Ausgang zur Stadt kontrollierten, alte Türen aus
Palmenholz und von einem der Wachttürme geniesst der Besucher einen
einmaligen Ausblick auf die Stadt und den Palmenhain, der sich
mehrere Kilometer von der Stadt weg erstreckt. Zwei grössere Wege
führen durch die Gärten. Die Schöpfbrunnen werden heute von
Motorpumpen betrieben. In die steile Felswand gehauen finden wir eine
Moschee. Daneben der Friedhof. An den heissen Tagen werden
Wasserkrüge vor das Haus gehängt, damit sich die Familie und
Vorübergehende erfrischen können.
Mit
Mut und Ausdauer haben es die Mozabiten geschaffen die harte Natur zu
überwinden und sogar zu überlisten und sich einen Garten Allahs auf
Erden zu schaffen. Dennoch werden auch sie verfolgt von der Sünde
und sicher viele wünschen sich, dass ihre Kinder und Kindeskinder
eine etwas weniger durch die strenge Moral eingeengte Lebensweise
führen dürfen, ohne dass die seit tausend Jahren bestehende
Gemeinschaft in Gefahr gerät.
Auf dem Hauptplatz von Beni Isguen
finden täglich öffentlichen Versteigerung von Teppichen und anderen
Gegenständen statt. Unterirdische Moschee, wo kleine Becken aus Sand
stehen für die Alten, die ihre rituellen Waschungen vornehmen sollte
können ausserhalb der Gebetszeiten mit Respekt besucht werden. Eine
andere Moschee, deren ungleichmässiges Gewölbe in einem wunderbaren
blauen Licht schimmert, soll Le Corbusier für den Entwurf von
Ronchamp inspiriert haben.
Diese
und weitere Sehenswürdigkeiten entdeckt der Besucher durch gutes
Glück bei Spaziergängen (ihre Lage ist kaum festzulegen) und dank
der Hilfe des offiziellen Führers.
Besichtigung
Ghardaia
In
Ghardaia befindet sich das Musée M'Zab. Das Museum zeigt das
Innere eines mozabitischen Hauses mit Möbel, Gewebe, Teppichen und
Gegenständen des täglichen Gebrauches. Der Place du Marché,
ausserhalb der Stadtmauer, wird von Arkaden und Läden umsäumt. Ein
idealer Treffpunkt bis spät in die Nacht.
Im Verwaltungszentrum
im Süden der Stadt befinden sich die Post, verschiedene Büros und
kleinere Hotels. Das schönste ist aber, in den steilen Gassen, im
Labyrinth der Wege herum zuschlendern. Von den verschiedenen Plateaus
der Stadt geniesst der Besucher, je nach Tagesstunde, die
verschiedensten Perspektiven und Lichteinflüsse auf die Häuser, die
vor allem in Bou Isguen wie Wohnwaben aussehen. Unter uns liegen
Friedhöfe mit Töpfereischerben übersät. Die Mozabiten geben ihren
Verstorbenen ihr Essgeschirr und Trinkbecher mit auf die letzte
Reise.
Die weiteren Oasen
Weitere
Oasen der Mozabiten sind Melika, die Königliche. Sehenswert ist der
Friedhof mit dem Grabbezirk des Sidi Aissa und seiner Familie. Der
weite freie Gebetsplatz vor dem oberen Stadttor und die hier
typischen Gassen der Altstadt.
Bou
Noura, steigt braun-weiss-bläulich zum Minarett empor. Das Wachstum
der Stadt erkennt man an den verschiedenen Häuserringen.
El-Ateuf,
der älteste Ort an der Biegung des Oued, hat ebenfalls einen
täglichen nachmittäglichen Markt. Auf dem Friedhof werden die Toten
nicht begraben, sondern mit Steinen bedeckt, so dass sie in der
trockenen Hitze zu Mumien werden. Durch die mit Schwibbögen
überdachten Gassen gelangen wir zur alten Moschee, deren Minarett
als das älteste der Region gilt.
Geschichte der Mozabiten
Der
dritte Kalif nach dem Propheten Mohammed, Othman, wurde ermordet.
Mu'awiya wollte diese Tat im Jahre 656 rächen und zwang Ali, den
Schwiegersohn des Propheten und vierten Kalifen, sich einem
Schiedsspruch zu unterwerfen. Dies wurde aber von Ali abgelehnt und
als Verrat gegenüber Gott, dem einzigen Richter, bezeichnet. Die
Gruppe der Ibaditen entstand. Nach der Ermordung Alis im Jahre 661
führte ein persischer Heerführer die Ibaditen ins Exil nach
Nordafrika. Nach einem ersten Aufenthalt in Tiaret, Tunesien, mussten
sie weiter nach Sedrata. (Siehe Ouargla S. xx). Die Überlebenden
flüchteten in die Tiefe eines Tales in der unfruchtbaren Wüste im
M'Zab, wo wir uns heute befinden.
El
Ateuf wurde als erste Oase im Jahre 1011 gegründet. Erst 500 Jahre
nahm sie das heutige Aussehen einer Festung an. Die anderen Orte
wurden mit dem einwandern von weiteren Mozabiten gegründet. Bou
Noura war die zweite Stadt. 1048 entstand Ghardaia (Die Grotte der
Daia, Mädchenname). Melika, die Königin, nahm die beherrschende
Stellung der Oasen ein. Erst 300 Jahre später wurde die fünfte
Oase, Beni-Isguen, die Fromme, gegründet. Der Rahmen und der
Lebensstil aller Oasen sind gleich. Alles, Sitten, Verfahren,
Architektur, ist einer Ordnung unterworfen und diese stammt direkt
von Allah, Gott, ab.
Die
Oasen wurden sorgfältig gepflegt und dank einem durchdachten
Bewässerungssystem wurde aus der Wüste fruchtbares Land. Doch bald
genügten die Erträge nicht mehr, um die ganze Gemeinschaft zu
ernähren. Die Bewohner wandten sich dem Handel zu. Einige wanderten
aus in die Städte Nordalgeriens, Tunesiens und Marokkos. Sie
eröffneten Läden und erwarben den Ruf ehrliche, sparsame und
gewandte Händler zu sein. Die Auswanderer wollten möglichst schnell
zu Vermögen kommen, um die Familie, das Haus und die Gärten der
fernen Oase weiterhin zu unterstützen. Es ist noch nicht lange her,
da war es für die Männer verboten mit ihren Frauen aus der Oase zu
ziehen. Damit zwang man die Männer zur Rückkehr, um ihre Kultur in
der Heimat fortzusetzen.
Albert Camus
Albert Camus beschrieb in seinem Roman "Der erste
Mensch", rororo 13273, Seite 103, dass die mozabitischen Krämer
des Viertels jahrelang von nichts und ohne Frauen in ihren nach Öl
und Zimt riechenden Ladenhinterzimmern lebten, um ihre Familien in
den Städten des Mzab zu unterhalten. Camus beschrieb die Mozabiten
als Stamm von Häretikern, so etwas wie Puritaner des Islam und von
den Orthodoxen auf Leben und Tod verfolgt, vor Jahrhunderten an einem
Ort gelandet waren, den sie sich ausgesucht hatten, weil sie ganz
sicher waren, dass niemand ihn ihnen streitig machen würde, da es
dort nur Kieselsteine gab, so weit von der halbwegs zivilisierten
Welt an der Küste, um dort rund um knausrige Wasserstellen ihre
Städte aufzubauen und sich diese sonderbare Askese auszudenken, die
kräftige Männer zum Handeltreiben in die Küstenstädte zu
schicken, um diese Schöpfung des Geistes und nur des Geistes zu
unterhalten, bis diese von anderen ersetzt werden und in ihr mit Erde
und Schlamm befestigten Orte zurückkehren konnten, um sich an dem
endlich für ihren Glauben errungenen Reich zu ergötzen. Das
reduzierte Leben, die Härte dieser Mzabiter konnten demnach nur im
Zusammenhang mit ihren höheren Zielen beurteilt werden.
Wasser
Im
ganzen Tal ist das Wasser knapp. Nur wenige Tage im Jahr gibt es
Regen. Trotzdem haben die Mozabiten nun fast 1000 Jahre hier
überlebt. Das Gefühl der Solidarität, eine moralische
Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft und der Glaube erlauben es,
sich einer strengen Disziplin zu unterwerfen. Ob früher aus Brunnen
geschöpft, heute über Wassertürme und Rohrsysteme verteilt, dass
kostbare Nass wird unter allen Bewohnern nach alten Regeln
aufgeteilt.
Einfache
Regeln, die Reinheit der Linien, die Proportion von Mensch zum
Wohnraum, die Knappheit der Mittel und vor allem die Funktionalität
bestimmen die Architektur der Oasen. Man findet in der ganzen
Pentapolis keine überragenden Gebäude. Sogar die Moschee weist
keine strukturellen oder ornamentalen Unterschiede zum gewöhnlichen
Wohnhaus auf. Man findet keine Paläste. Dennoch sind diese Städte
von einzigartiger Schönheit, von einzigartiger Schlichtheit, dass
noch heute namhafte Architekten neue Inspirationen in ihnen holen.
Gärten
Sein
Garten ist für jeden Mozabiten eine Leidenschaft. Er gilt als ein
Teil von sich selber. Mit Geduld, Disziplin und Opfer hat sich jeder
ein Stück Paradies auf Erden erschaffen. Sandwege schlängeln sich
unter den Schatten der Palmen und entlang der Lehmmauer durch die
Gärten. Hinter den Mauern befinden sich die Anlagen mit Granatbäumen
voller Früchten, Aprikosen- und andere Obstbäume, in denen am
späten Nachmittag die Vögel lärmen. Feigenbäume und Gemüsebeete
werden bewässert. Es riecht nach Yasmin und Rosen. Hinten in der
Ecke, im Schatten eines Busches, steht ein Esel.
Gegenwart
Heute
sind Flugzeuge, Teerstrassen mit Autos, Touristen, Radio und
Fernsehen auch in diese Oasen vorgedrungen. Die Mozabiten, Junge und
Alte, scheint dies aber nicht zu stören. Ihr Glaube ist Stärker und
somit können sie die Einflüsse der modernen Welt akzeptieren. Vom
Fremden erwartet man ein Minimum an Diskretion und Achtung gegenüber
den Einwohnern und den Kultstätten.