Franz Kafka

13.06.2024

Vor 100 Jahren starb Franz Kafka nach langer Krankheit an Kehlkopftuberkulose in Kierling bei Klosterneuburg im heutigen Österreich. Die Beisetzung erfolgte wenige Tage später auf dem jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz.
Franz Kafka wurde nur 41 Jahre alt, und wie jeder weiss, wurde der grösste Teil seines literarischen Werkes erst nach seinem Tod veröffentlicht. Tatsächlich hatte er in seinem Testament seinen Freund Max Brod gebeten, alle noch nicht veröffentlichten Schriften zu vernichten. Ausserdem sollte er versuchen, die Briefe an Dritte zurückzubekommen, um sie ebenfalls zu verbrennen. Diesem letzten Wunsch seines Freundes kam Max Brod nicht nach. Er geriet in einen Gewissenskonflikt und wir freuen uns heute über die Literatur von Franz Kafka.
Über Franz Kafka und sein Werk wurde in den letzten Tagen viel geschrieben. Wie immer an einem Jahrestag hat die Presse viel zusammengetragen und die KI, die künstliche Intelligenz, hat wohl so manchem Journalisten beim Verfassen seines Artikels geholfen. Mir als altem Kafka-Leser gefielen besonders die Videos zu Kafka in der ARD-Mediathek, www.ardmediathek.de und die Artikel, die in den Goethe-Instituten weltweit erschienen.
Hier der Link zum Institut in Spanien:  https://www.goethe.de/ins/es/de/kul/sup/bkk.html
In allen Goethe Instituten weltweit gibt es verschiedene Veranstaltungen zu Kafka, wer zufällig irgendwo auf der Welt am richtigen Ort ist, sicher lohnenswert.

Interessant fand ich die Aussage in der spanischen Tageszeitung El Pais:

Kafka murio hace cien anos sin saber que era Kafka.
El escritor falleció en un estado de virginidad "kafkiana" irredimible.
Y ahora está en todas partes.

Kafka starb vor hundert Jahren, ohne zu wissen, dass er Kafka war.
Der Schriftsteller starb in einem Zustand unwiederbringlicher kafkaesker, Jungfräulichkeit.
Und jetzt ist es überall.

So eigentümlich und tiefgründig wie alle Lebensäusserungen Franz Kafkas war auch seine Stellungnahme zu seinem eigenen Werk und zu jeder möglichen Veröffentlichung. Die Probleme, die er damit hatte, waren auch für Max Brod Richtschnur jeder Veröffentlichung aus seinem Nachlass und sollten in ihrer Ernsthaftigkeit nicht überschätzt werden. Brod war auch Schriftsteller, sein einst erfolgreiches literarisches Werk ist heute weitgehend unbekannt. Er starb 1968, doppelt so alt wie Kafka bei seinem frühen Tod. Brod versuchte den an seinem Talent zweifelnden Kafka in seinen literarischen Bestrebungen zu unterstützen und drängte ihn, seine Werke zu veröffentlichen. Mit List und Überredungskunst wurden ihm Werke abgenommen und Verlagen vorgelegt.

Zum Jahrestag seines Todes habe ich Der Prozess wieder gelesen. Ehrlich gesagt kann ich diese nicht leichte Lektüre nicht als modern und aktuell bezeichnen, sondern halte sie eher für schwierig mit vielen Details, die junge Menschen heute weder kennen noch verstehen. Natürlich kann man daraus geistige, religiöse, soziale Handlungen ableiten, die sich leider in den letzten 100 Jahren nicht verändert und verbessert haben. Aber um die verzwickte Situation des Josef K. zu verstehen, muss man das damalige, teilweise bis heutige gültig gebliebene Rechtssystem kennen. Auch heute noch ist das Gericht für den Normalbürger unverständlich. Das fängt schon bei der Sprache an. Die Parteien erhalten eine Vorladung. Unter Androhung einer erheblichen Geldstrafe wird das Erscheinen angeordnet. Wenn man nicht Kläger ist, versteht man nicht einmal, warum man Beklagter ist oder als Zeuge geladen wird. Während der Verhandlung weiss man nie genau worum es geht, ob man das Wort ergreifen darf und wie viel von der eigenen Meinung erwünscht ist. Anwälte, sofern anwesend, tun ihr Bestes, um nicht verstanden zu werden und ihre saftigen Honorarnoten zu rechtfertigen. Das Getuschel zwischen den Parteien, auch unter den anwesenden Richtern und Gerichtsschreibern, gehört dazu wie die Pausen. Dann, wenn alles gesagt ist, zieht sich das Gericht zur Beratung zurück, der Beklagte fühlt sich schuldig, wie auf der anderen Seite des Saales der Kläger sich um sein Recht betrogen fühlt.
Erst wenn der Leser das Glück oder das Pech hat, einer heutigen Gerichtsverhandlung beizuwohnen, wird er verstehen, was Josef K. in seinem Prozess durchmachen musste.

Sicherlich ist jedem heutigen Leser und Kritiker des Werkes von Franz Kafka klar, dass Kafka nie ein Star sein wollte, dass er kein Wegweiser und Ratgeber sein wollte. Er hat versucht, seine Gedanken, sein Leben, seine Erlebnisse in seiner direkten Art niederzuschreiben. Es ist ihm gelungen, die Details so klar und deutlich in seinen Texten festzuhalten, dass der Leser beim Lesen die einzelnen Szenen vor seinem inneren Auge lebendig vor sich sieht. Das nennt man Schreiben!