Franz Kafka
Vor
100 Jahren starb Franz Kafka nach langer Krankheit an
Kehlkopftuberkulose in Kierling bei Klosterneuburg im heutigen
Österreich. Die Beisetzung erfolgte wenige Tage später auf dem
jüdischen Friedhof in Prag-Straschnitz.
Franz
Kafka wurde nur 41 Jahre alt, und wie jeder weiss, wurde der grösste
Teil seines literarischen Werkes erst nach seinem Tod veröffentlicht.
Tatsächlich hatte er in seinem Testament seinen Freund Max Brod gebeten, alle noch nicht veröffentlichten Schriften zu vernichten.
Ausserdem sollte er versuchen, die Briefe an Dritte zurückzubekommen,
um sie ebenfalls zu verbrennen. Diesem letzten Wunsch seines Freundes
kam Max Brod nicht nach. Er geriet in einen Gewissenskonflikt und wir
freuen uns heute über die Literatur von Franz Kafka.
Über
Franz Kafka und sein Werk wurde in den letzten Tagen viel
geschrieben. Wie immer an einem Jahrestag hat die Presse viel
zusammengetragen und die KI, die künstliche Intelligenz, hat wohl so
manchem Journalisten beim Verfassen seines Artikels geholfen. Mir als
altem Kafka-Leser gefielen besonders die Videos zu Kafka in der
ARD-Mediathek, www.ardmediathek.de und die Artikel, die in den
Goethe-Instituten weltweit erschienen.
Hier der Link zum Institut in Spanien: https://www.goethe.de/ins/es/de/kul/sup/bkk.html
In
allen Goethe Instituten weltweit gibt es verschiedene Veranstaltungen
zu Kafka, wer zufällig irgendwo auf der Welt am richtigen Ort ist,
sicher lohnenswert.
Interessant
fand ich die Aussage in der spanischen Tageszeitung El Pais:
Kafka murio hace cien anos sin saber que era Kafka.
El
escritor falleció en un estado de virginidad "kafkiana"
irredimible.
Y ahora está en todas partes.
Kafka
starb vor hundert Jahren, ohne zu wissen, dass er Kafka war.
Der
Schriftsteller starb in einem Zustand unwiederbringlicher kafkaesker,
Jungfräulichkeit.
Und jetzt ist es überall.
So eigentümlich und tiefgründig wie alle Lebensäusserungen Franz Kafkas war auch seine Stellungnahme zu seinem eigenen Werk und zu jeder möglichen Veröffentlichung. Die Probleme, die er damit hatte, waren auch für Max Brod Richtschnur jeder Veröffentlichung aus seinem Nachlass und sollten in ihrer Ernsthaftigkeit nicht überschätzt werden. Brod war auch Schriftsteller, sein einst erfolgreiches literarisches Werk ist heute weitgehend unbekannt. Er starb 1968, doppelt so alt wie Kafka bei seinem frühen Tod. Brod versuchte den an seinem Talent zweifelnden Kafka in seinen literarischen Bestrebungen zu unterstützen und drängte ihn, seine Werke zu veröffentlichen. Mit List und Überredungskunst wurden ihm Werke abgenommen und Verlagen vorgelegt.
Zum
Jahrestag seines Todes habe ich Der Prozess wieder gelesen. Ehrlich
gesagt kann ich diese nicht leichte Lektüre nicht als modern und
aktuell bezeichnen, sondern halte sie eher für schwierig mit vielen
Details, die junge Menschen heute weder kennen noch verstehen.
Natürlich kann man daraus geistige, religiöse, soziale Handlungen
ableiten, die sich leider in den letzten 100 Jahren nicht verändert
und verbessert haben. Aber um die verzwickte Situation des Josef K.
zu verstehen, muss man das damalige, teilweise bis heutige gültig
gebliebene Rechtssystem kennen. Auch heute noch ist das Gericht für
den Normalbürger unverständlich. Das fängt schon bei der Sprache
an. Die Parteien erhalten eine Vorladung. Unter Androhung einer
erheblichen Geldstrafe wird das Erscheinen angeordnet. Wenn man nicht
Kläger ist, versteht man nicht einmal, warum man Beklagter ist oder
als Zeuge geladen wird. Während der Verhandlung weiss man nie genau
worum es geht, ob man das Wort ergreifen darf und wie viel von der
eigenen Meinung erwünscht ist. Anwälte, sofern anwesend, tun ihr
Bestes, um nicht verstanden zu werden und ihre saftigen Honorarnoten
zu rechtfertigen. Das Getuschel zwischen den Parteien, auch unter den
anwesenden Richtern und Gerichtsschreibern, gehört dazu wie die
Pausen. Dann, wenn alles gesagt ist, zieht sich das Gericht zur
Beratung zurück, der Beklagte fühlt sich schuldig, wie auf der
anderen Seite des Saales der Kläger sich um sein Recht betrogen
fühlt.
Erst
wenn der Leser das Glück oder das Pech hat, einer heutigen
Gerichtsverhandlung beizuwohnen, wird er verstehen, was Josef K. in
seinem Prozess durchmachen musste.
Sicherlich
ist jedem heutigen Leser und Kritiker des Werkes von Franz Kafka
klar, dass Kafka nie ein Star sein wollte, dass er kein Wegweiser und
Ratgeber sein wollte. Er hat versucht, seine Gedanken, sein Leben,
seine Erlebnisse in seiner direkten Art niederzuschreiben. Es ist ihm
gelungen, die Details so klar und deutlich in seinen Texten
festzuhalten, dass der Leser beim Lesen die einzelnen Szenen vor
seinem inneren Auge lebendig vor sich sieht. Das nennt man Schreiben!