Feigen sind keine Früchte

26.06.2023

Eine Feige ist nicht irgendeine Frucht. Tatsächlich ist es nicht einmal eine Frucht.
Eigentlich sind Feigen umgedrehte Blumen. Feigenbäume blühen nicht auf die gleiche Weise wie andere Obstbäume wie Mandel- oder Kirschbäume. Ich freue mich immer wieder auf die ersten Feigen. Sie sind so speziell fruchtig, schmecken besonders und löschen nicht nur den Hunger. Somit ist es nicht erstaunlich, dass die ersten kultivierten Pflanzen der Menschheitsgeschichte Feigenbäume waren.

Die Echte Feige (Ficus Carica) stammt aus Kleinasien, aus der Regionen am Kaspischen Meer und dem Pontischen Gebirge im Norden der heutigen Türkei. Aber bereits in der Antike verbreitete sich der Feigenbaum bis ans Mittelmeer und ist hier bis heute heimisch.
Feigen haben eine sehr merkwürdige Geschichte. Erstens handelt es sich technisch gesehen nicht um eine Frucht, sondern um einen Fruchtstand, eine Reihe von Früchten. Und zweitens brauchen sie zur Fortpflanzung ein Insekt, zum Beispiel eine Wespe, welche im Inneren der Feige stirbt. Mit einfachen Worten, Feigen sind eine Art umgekehrte Blüten, die in dieser grossen dunklen Schote mit rötlichen Tönen blühen, die wir als Feigen kennen.
Jede Blüte bringt eine einzelne Schalenfrucht und einen einzelnen Samen namens Achäne hervor. 
Achänen sind somit einsamige Schliessfrüchte, öffnen sich nicht bei Reife, bei denen ein dünnes, nur an einem einzigen Punkt anhaftendes, lederiges, zähes, trockenes Perikarp
(nur teilweise verholzte Fruchtwand) einen einzelnen Samen (Testa) dicht anliegend umschliesst. Typische Beispiele sind die Sonnenblume, aber auch die Samen der Erdbeere. Eine spezielle Form ist das Sykonium der Scheinfrüchte von Feigen (Ficus). Hier sind die Achänen innseitig in einem fleischigen, hohlen Blütenboden angeordnet. Die Feige besteht aus mehreren Achänen, die ihr die charakteristische knusprige Konsistenz verleihen.

Wenn wir also eine Feige essen, essen wir eigentlich Hunderte von Früchten.
Aber das Unglaubliche ist der spezielle Bestäubungsprozess, den die Feigenblüten zur Fortpflanzung benötigen.
Sie können sich nicht wie andere Früchte auf den Wind oder Bienen verlassen, um Pollen zu ihnen zu bringen, deshalb brauchen sie eine Art, die als Feigenwespen bekannt ist.
Diese Insekten tragen ihr genetisches Material und ermöglichen ihre Fortpflanzung. Diese Art von Wespen wiederum könnten ohne Feigen nicht leben, da sie ihre Larven in den Früchten ablegen. Diese Beziehung bezeichnet der Botaniker als Symbiose oder Gegenseitigkeit.
Derzeit ist die überwiegende Mehrheit der Erzeuger dieser Frucht nicht mehr auf die Arbeit von Wespen angewiesen. Die meisten Feigensorten für den menschlichen Verzehr sind parthenogenetisch. Das bedeutet, dass sie auch in Abwesenheit eines Bestäubers immer Früchte tragen. Dies tönt nun aber wieder irgendwie unnatürlich.

Feigen schmecken am besten reif ab dem Baum. Mit den Fingern fühlt man deren Reifegrad.
Kurz im kühlen Wasser waschen und schon kann sie mit Haut und Stil gegessen werden.
Die gepflückten Früchte im trockenen und kühlen aufbewahren. Feigen reifen nicht nach, daher auch eine der Früchte, welche ab Baum am besten schmecken. Länger Haltbar bleiben sie im Kühlschrank. Für mich kommt aber der Kühlschrank nicht infrage. Feigen, welche im Kühler gelagert wurden, verlieren ihren ursprünglichen Geschmack. Aber Feigen sind schlecht haltbar und werden innerhalb weniger Tage schlecht. Der Geruch nach Gärung verrät die Überreife der Frucht. Grauer Schimmel setzt sich an. Die Frucht wird matschig.

Gibt es einmal zu viele Früchte, getrocknete Feigen sind eine besondere Spezialität in den Wintermonaten. Zum Dörren halbiere ich die Früchte und breite diese auf einem Rost aus.
Mit einem Leinentuch abgedeckt lasse ich das Obst mehrere Tage im Sonnenlicht trocknen. Getrocknete Feigen sind ein wichtiger Bestandteil meiner verschiedenen orientalischer Gerichte. Dank ihrer zarten Süsse verleihen sie den Speisen eine besondere Note. Beim Lesen am Kaminfeuer knappere ich gerne an den getrockneten Feigen und freue mich auf das kommende Jahr, wenn wieder neue Feigen direkt ab dem Baum gegessen werden. Übrigens, Feigenkonfitüre versüsst das Frühstück!