Familie
Heute
verstehen wir unter Familie ein Elternpaar oder Elternteil mit
mindestens einem Kind und reduzieren den Begriff auf zwei bis drei
Personen. Noch
vor wenigen Jahrzehnten verstand man unter Familie eine Gruppe von
(bluts)verwandten Personen, eine Sippe.
In einer Familie kümmern
sich die Menschen umeinander. Die Eltern kümmern sich um ihre Kinder
und unterstützen sie in ihrer Entwicklung. Alte und kranke
Familienmitglieder werden innerhalb des Bundes versorgt und gepflegt.
Die Familie gilt und galt als soziale Basis. Gemeinsame Mittags- und
Abendessen, Unternehmungen, zusammensitzen zum diskutieren und
spielen schweissen die Familie zusammen. Festtage sind von sehr
grosser Bedeutung und Anlass, dass alle Generationen zusammenfinden.
In
der Familie findet sich jeder einzelne wieder. Ob es in der Art und
Weise eines Onkels ist, das Aussehen der Grosstante oder die gleichen
Gesten wie der Cousin aus Amerika. Jeder freut sich, die anderen
Mitglieder der Familie wiederzusehen. Es entstehen engere Banden
zwischen einzelnen Personen. In der heutigen Zeit muss nicht auf das
kommende Fest gewartet werden. Man ist miteinander vernetzt und teilt
in Sekunden die Neuigkeiten auf den sozialen Medien. Im
Alltag steht man in Kontakt mit der engeren Verwandtschaft welche
nicht über Eltern und vielleicht noch Grosseltern herausgehen.
Vergessen werden dürfen dabei aber nicht die Geschwister. Keine
Bindung ist so intensiv und auch dauerhaft wie zu den eigenen
Geschwistern. Entweder sind sie bei der eigenen Geburt schon da oder
sie kommen später und keiner fragt, ob man sie will oder nicht.
Mein Sohn Elyas fragte mich nach der Geburt seines kleinen Bruders Younes, ob wir ihn nicht zurück geben könnten. Nun sind fast 15 Jahre vergangen und beide streiten sich täglich, wie sie sich all die Jahre gestritten haben. Dabei lieben sie sich innig, eine Hassliebe? Eine Liebe zwischen Brüdern die uns selber vielleicht intensiver prägt als unsere Eltern. Vorbilder und Zerrbilder unserer Persönlichkeit. Geschwister sind unsere Liebes- und Hassobjekte in einer Person. Die Beziehung ist emotional und intensiv. Grosseltern und Eltern sterben, Freunde verschwinden, die Liebe lösen sich auf, was bleibt ist der Bruder und/oder die Schwester.
Bereits im Alten Testament erscheinen uns die Brüder Kain und Abel, Söhne von Adam und Eva. Ob in der griechischen oder römischen Mythologie finden wir Geschwister, wie Romulus und Remus, die Stadtgründer Roms. In den Märchen der Gebrüder Grimm finden wir Hänsel und Gretel. In der Weltliteratur die Geschwister Tanner von Robert Walser und wer kennt nicht die drei Neffen von Donald Duck, Tick, Trick und Track.
Selber hatte ich nur eine Schwester, und dazu war sie noch 14 Jahre älter als ich. Somit bin ich in meiner Jugend als Einzelkind aufgewachsen, oder noch besser, mit zwei Müttern. Dies im positiven, aber auch negativen Sinn. Hat mir die eigentliche Mutter nicht geholfen, konnte ich auf meine Schwester zählen. War meine Mutter mit mir nicht böse, hat es die Schwester nachgeholt. An meine ersten Kindheitsjahre erinnere ich mich vor allem an Bilder und Erzählungen. Ob alles so war, wie mir später erzählt, wissen nur die Erzähler.
Meine Schwester hätte sich sehr über das kleine Brüderchen gefreut und mich nachts, wenn ich weinte, verwöhnt, in dem sie den Schnuller in Zuckerwasser getaucht mir in den Mund stopfte, so war ich ruhig und sie konnte schlafen. Bei einem Spaziergang, ich im damals modernen niedrigen Kinderwagen, über holprige Pfade fahrend, hätten meine Mutter und Schwester mich so geschaukelt, dass ich unten raus rutsche. Im Gespräch unter Frauen, hätten sie dies nicht einmal gemerkt. Zum Glück trottete mein Vater einige Meter hinten nach, wohl um nicht mithören und noch schlimmer, mitreden zu müssen. Glück für mich, dass er mich fand. Den Hall des Donnerwetters, das er losliess höre ich heute noch.
Eine Zeit lang nannte ich meine
Schwester Fräulein. Die Mitmenschen, die mich so rufen hörten,
glaubten, dass meine Eltern reich wären und ich ein Kindermädchen
hätte.
Ausser
Schwester, war sie auch meine Patin. Dies fand ich weniger toll, denn
von der Paten/Schwester gab es bei Feiertagen nur ein Geschenk. Wären
es zwei verschiedene Personen gewesen, wären es vielleicht zwei
gewesen...
Aber ich kann mich nicht beklagen. In dieser Hinsicht
war meine Schwester immer grosszügig. Sogar ich mit über 50, mit
festem Job und eigenem Geld, bekam von meiner Schwester und hie und
da auch von der Patin noch Geld zugesteckt, damit ich mir was kaufe.
Meine Schwester war so lieb und zuvorkommend. War, denn im Mai 2021
ist sie nach langer Krebskrankheit gestorben. Und, seit dem fehlt sie
mir!