Cordoba, Spanien

06.12.2022

Bei Dunkelheit treffe ich in Córdoba ein und fahre direkt zu meinem in der Altstadt liegenden Hotel. An der Rezeption werden mir meine Zimmerschlüssel im ersten Stock übergeben. Ich finde ein geräumiges Zimmer vor. Als ich die Vorhänge öffne stehe ich sprachlos einem der beleuchteten goldenen Eingangstore zur Moschee gegenüber. Bei meiner Anfahrt habe ich gar nicht bemerkt, an was für einer geschichtsträchtigen Mauer ich entlang fuhr!
Gleich nach dem Abendessen mache ich einen nächtlichen Spaziergang. Der Mond ist aufgegangen und die schmalen, weissen Strassen Córdobas sehen im fahlen darüber fallenden Mondlicht so arabisch aus wie nichts anderes in Spanien. Es ist, als sei ich in Fez. Über eine Hauptstrasse mit einer Allee aus Orangenbäumen kommt man auf einen hübschen Platz mit einer Bronzereiterstatue, die verblüffender Weise einen Kopf aus weißem Marmor trägt. Vorbei geht es an zahlreichen Cafés und Tabernen, in denen Gruppen in ernsthaftem Gespräch unter Stierhörnern und Bildern von Stierkämpfern sitzen
Wieder führte die Strasse runter zur römischen Brücke und ich schaue den Wirbeln des Guadalquivier zu, die im Mondlicht blinken. Türme und weiße Gebäude stehen im Mondlicht getaucht. Ich versuche mir die damalige Größe des Kalifats von Córdoba vorzustellen. Meine aber, überall eine heimliche Traurigkeit und die lastende Schwere der Vergangenheit zu fühlen. Ein Bild von den Kalifen mit ihren Lieblingsfrauen, von Wohlgerüchen, Wasserkünsten, Gärten, Mord und Verschwörungen will nur schwer aufkommen. Córdoba kommt mir vor wie eine gute alte Dame. Nicht wie Sevilla, das wie ein junges fröhliches, lachendes, herausforderndes Mädchen auf einem wirkt.

Gleich nach dem Frühstück begebe ich mich zu den wenigen Metern entfernten Moschee. Ich wollte mich nicht zur Begeisterung hinreißen lassen, doch schon nach wenigen Minuten musste ich mich geschlagen geben. Von allen muslimischen Bauten ist sie für mich einmalig. Dabei ist sie nicht wirklich schön. Sie ist wie ein immenser Wald von Säulen. In endloser Perspektive tauchen die rotweißen Bogen hinter- und nebeneinander auf. Wo immer man sich hinwendet, bietet sich der gleiche Anblick. Fast wie in einem Spiegelkabinett. Die hunderte symmetrisch angeordneten Säulen von unterschiedlich getöntem Marmor erzielen durch ein vielfältiges System von Rippen und Bogen miteinander verbunden, einen durch nichts überbietenden Effekt. So primitiv die Anordnung eigentlich ist, ist die Wirkung doch geradezu raffiniert. Man stellt sich vor, wie der erste Sultan, Abd Al-Rahmân seinen Baumeistern erklärt haben wird, dass es ganz gleich sei, ob zwei Säulen gleich hoch oder dick seien oder nicht. Um Allahs willen, ergänzt einfach den kürzeren Pfeiler, damit er zu dem längeren passt. Das Ergebnis hätte auch negativ ausfallen können, tatsächlich war es aber ein durchschlagender Erfolg. Als es später notwendig war die Moschee zu erweitern, hatten seine Nachfolger einfach keine besseren Ideen und begnügten sich damit, das Gebäude auf seine heutigen überwältigenden Ausmaße auf die gleiche Art und Weise zu vergrößern. So durch den Säulenwald wandernd, überkommt mich der Eindruck, dass ich unter dem Kalifat in Córdoba hätte sehr gut leben können. Man glaubt breitwillig, dass die Kalifen vernünftige und gütige Herrscher gewesen sind und sich nicht nur für Krieg und Religion interessierten, sondern auch für Astronomie, Poesie, Architektur, Medizin und Philosophie Mitten in der Moschee steht die christliche Kathedrale. Um sie dort bauen zu können, wurden kurzerhand mehrere Säulen niedergerissen und ihre Kuppeln ragen über die Dächer der Moschee. Ich betrat die Kathedrale nicht, da gerade ein Gottesdienst abgehalten wurde. Doch es war seltsam, mitten im Islam zu stehen und den Chor, die Sänger und die gewaltige Orgel zu hören. Dass die Kathedrale mitten in der Moschee steht, ist die Zusammenfassung der spanischen Geschichte im Mittelalter.
Ein christliches Juwel in einer muslimischen Umfassung!

Die Familie von Abd Ar-Rahmân herrschte generationenlang von Damaskus aus über den Islam. Er war als einziges Mitglied seiner Familie dem Anschlag der Abbasiden mit dem Leben entkommen, welche den Sitz des Kalifats nach Bagdad verlegten. Nach einer abenteuerlichen Fahrt kam er Mitte des 8. Jhd. auf die iberische Halbinsel. Er wusste nicht, ob hier der Tod auf ihn wartete oder ob die hiesigen Araber zu den besiegten Omajaden hielten. Das letztere traf zu und er setzte den Grundstein des Emirates von Córdoba. Die Geschichte erzählt, dass er den ersten Granatapfelbaum und die erste Dattelpalme aus Syrien nach Spanien brachte. Der Samen beider Pflanzen, von seinem privaten Garten aus, dann über ganz Andalusien verbreitete. Der große Ab Ar-Rahmân III. erbte im Jahre 912 den Glanz Córdobas. Er legte sich den Titel Kalif bei und trat in offene Rivalität mit Bagdad. Orangenblüten, Intrigen, die Dichter, Musiker und Künstler des grossen Kalifen, seine Astronomen, Mathematiker und Ärzte verhalfen Córdoba zu einem Schauplatz von Tausendundeiner Nacht in Europa.
Als Kalif erbaute er die Palastanlage Medina Zahara, rund 4 Kilometer außerhalb Córdobas, um der Rest der Welt seine macht zu zeigen und auch als Andenken an seine Lieblingsfrau. Die Anlage ist auf drei Terrassen angelegt und von einer Mauer umschlossen worden. Leider ist fast nichts mehr davon vorhanden, doch die Überreste geben Zeugnis, dass hier einst die prächtigste Palaststadt stand, die je in Andalusien gebaut wurde. Gemäss den damaligen Geschichtsschreibern befanden sich Hängegärten, Volieren, Tiergärten, Fischteiche, fließende Gewässer, herrliche Höfe und Pavillons mit vielen Marmorsäulen. Einer der zahlreichen Springbrunnen war aus Gold. Nur zu gerne hätte ich diesen Palast in seiner kurzen Glanzzeit zu sehen gewünscht, mit seinen Statuen der schönen Zahara. Zu einer der Sehenswürdigkeiten gehörte auch der Quecksilberteich im Schlafgemach des Kalifen.
Weiter geht meine Reise dem Guadalquivir entlang zur andalusischen Hauptstadt.