Auf den Spuren Stanleys in Gabun
Auf Entdeckungsreise im noch weitgehend unbekannten Gabun
Erstveröffentlichung im Willisauer Bote, Schweiz, am 17.08.2004
Wer im 21. Jahrhundert noch echtes Afrika erleben will, abseits der Touristenströme Süd- und Ostafrikas, der hat in Gabun die Chance, sich als «Entdecker» zu fühlen. Ohne auf die Annehmlichkeiten unserer Zeit zu verzichten. Gabun wird im Westen vom Atlantischen Ozean begrenzt, im Norden von Kamerun und Äquatorialguinea, im Süden und Osten von der Republik Kongo. Das Land erstreckt sich über eine Fläche von 267 000 km2 und besitzt außerordentliche, natürliche, touristische und wirtschaftliche Ressourcen. Dies entdeckten einst schon Stanley und seine Forscherkollegen. Heute kann das Land von jedermann «erforscht» werden.
Auf dem Wasser
Anfang September 2002 erklärte der gabunische Präsident, Hadchj Omar Bongo, rund zehn Prozent der Landesfläche zu Nationalparks. Gebiete im Landesinnern und an der Atlantikküste mit ihren riesigen Regenwäldern wurden unter Schutz gestellt und in 13 verschiedene Parks aufgeteilt. Im Nordosten der Hauptstadt Libreville an der Bucht des Mondah und Corisco liegt der Nationalpark Arkanda. Der Park kann nur auf dem Wasserweg besichtigt werden. Links und rechts dicht am und im Wasser wachsen Mangroven vorbei. Ein ideales Gebiet für unzählige Vogelarten, welche hier ständig hausen oder während des europäischen Winters hierher ziehen. Die weiten Sandbuchten mit seichtem Wasser sind der ideale Brut Ort der Wasserschildkröten, welche zur Eiablage von weit entfernten Orten hier herkommen. Die Gewässer des Atlantiks sind ein riesiges Fischreich. Im Nationalpark leben in zwei kleinen Dörfern Fischer, welche auf traditionelle Weise den Fischfang tätigen. Ein Teil des Fanges wird als Frischfisch in der Hauptstadt verkauft. Der größere Teil wird geräuchert, womit der Fisch länger genießbar bleibt, sind Kühlschränke noch eine Seltenheit.
Auf der Straße
Gleich nach der Stadtgrenze von Libreville empfängt den Besucher das dichte Grün des Regenwaldes. Vereinzelt gruppieren sich kleine Dörfer an der Straße. Die Bewohner leben von der Jagd und Landwirtschaft. Vor allem werden Bananen, Kartoffeln und Maniok angepflanzt. Die letzten 115 Kilometer der Reise entlang des Flusses Ogooué führen über eine staubige Landstraße. Herrliche Sichten auf das große Flusstal wechseln ab mit der Fahrt durch den Regenwald, der einen grünen Tunnel über der Straße bildet. Nach sechs Stunden ist das Zielhotel Lopé eingangs des gleichnamigen Nationalparks erreicht.
Der Park war eines der ersten Gebiete in Gabun, das unter Naturschutz gestellt wurde. Während Pirschfahrten, zu Fuß, im Jeep oder in motorisierten Pirogen, kann sich der Gast im bereits erschlossenen Savannengebiet des nördlichen Teils des Parks aufhalten. Mehr als 1000 Mandrills wurden im Nationalpark gezählt. Somit gibt es in Lopé die weltweit größte Population dieser Pavianart. Weiter begegnet man auf diesen Touren Elefanten, Schimpansen, Pinselohrschweinen, Rotbüffeln, Meerkatzen, Gorillas und Antilopen. Es ist ein Erlebnis, mit dem örtlichen Führer durch den Wald zu schleichen, sich hin zu setzen und den Geräuschen zu lauschen, die auf Affen in der Nähe vermuten lassen. Alleine die Pflanzenwelt ist einen Besuch wert. Die verschiedenen, in unserer Heimat unbekannten Bäume, Sträucher und Bodenpflanzen mit den sich zum Licht rankenden Stämmen beeindrucken sehr.
Vogelgezwitscher und das Geplätscher eines nahen Baches lässt die moderne Industriewelt vergessen. Plötzlich ein Geräusch. Ein grasender Büffel nähert sich. Ein einmaliges Erlebnis. Der Führer gibt Anweisungen, die Gruppe solle sich zurückziehen. Knackende Äste, der Büffel horcht auf und ergreift zickzack schlagend die Flucht. Auf Safaris in Ost- und Südafrika zeigen sich die Herden mit unzähligen Tieren. Auf der Pirsch beobachtet man die einzelnen Tiere in ihrer natürlichen Umwelt. Die Tiere werden nicht gehetzt, um vor die Kameras der Besucher zu führen. Die Gäste passen sich der Natur an und genießen das Gastrecht, das die wild lebenden Tiere geben. Beim Eingang des Parks entsteht ein kleines Freilichtmuseum. Die wichtigsten Pflanzen wurden angepflanzt und mit ihrer lateinischen Bezeichnung versehen. In den im traditionellen Hausbau aufgestellten Hütten werden Skelette, Schmetterlinge und Käfer gezeigt. Man kann sich nicht vorstellen, wie viele Kleintierarten wie Frösche, Schlangen, Spinnen usw. in einem Regenwald leben. Westlich der Lodge wurden Steingravuren gefunden, deren Alter auf über 400 000 Jahre geschätzt wird. Es sind damit die ältesten menschlichen Zeugnisse von Zentralafrika.
Aus der Luft
Im Südwesten des Landes an den Atlantik grenzend befinden sich zwei der interessantesten Nationalparks des Landes. Loango mit rund 153 000 Hektaren und Moukkalaba-Doudou mit rund 500 000 Hektaren. In der Region leben rund 9000 Menschen, davon hat Gamba bereits 7500 Einwohner. Der Rest der Bevölkerung verteilt sich in kleine Dörfer und Lager innerhalb der geschützten Zone. Die Einheimischen leben vom Fischfang, von der Landwirtschaft und Jagd. Die Mehrheit aber arbeitet bei einer der Erdöl-Gesellschaften. Mit einem Kleinflieger geht es von der Hauptstadt aus der Atlantikküste entlang bis nach Gamba. Es ist beeindruckend, die Küste von der Vogelperspektive aus zu betrachten. Vor allem zum Schluss des Fluges, wo der Nationalpark Loango mit seinen über 300 Inseln überflogen wird, macht man sich im Kopf ein Puzzle und setzt die Inseln dort am Festland ein, wo sie vielleicht vor Hunderten von Jahren mal abgetrennt wurden. Gamba ist einer der Orte, wo am Rand eines Naturschutzgebietes auch Erdöl gefördert wird. Diesem Umstand verdanken die Besucher die vorhandene Infrastruktur, welche den Zugang zu einem so einzigartigen Park wie Loango schafft. Die Erdöl-Gesellschaften unterstützen den Park und die darin tätigen Organisationen finanziell. Vielleicht wegen dem schlechten Gewissen?
Mit dem Boot geht es in kühler Fahrt durch die beiden Lagunen, welche stellenweise nur durch ein paar Meter breite Landstreifen vom Meer getrennt sind. In beiden Lagunen wird Sportfischerei betrieben, welche Kunden aus der ganzen Welt anziehen. Vorbei an zahlreichen Inseln und Inselchen einige bestehen nur aus einem Baum geht die Fahrt noch eine gute Stunde bis nach Sette Cama, die Unterkunft für die nächsten Tage. Die Lage ist faszinierend. Die Terrasse der Lodge über der still daliegenden Lagune, 50 Meter dahinter tobt die Flut des Atlantiks. Sonst herrscht Stille. Man hört, sieht und riecht nur Natur. Die uns umgebende Vegetation ist vielfältig. Verschiedene Arten von Wald wechseln ab mit Savanne, Mangroven und ausgedehnten Sümpfen und Mooren. Der weisse Strand dehnt sich kilometerlang dem Atlantik entlang. Auf einer der Inseln, der Ngaley, war einmal eine katholische Mission. Heute finden sich nur noch Überreste, ein paar Heiligenstatuen und ein riesiger Palmenhain, aus dem die Missionare Palmenwein gewonnen hatten. Am späten Nachmittag geht es auf die erste Pirschfahrt. Vögel kreisen über der Piroge. Fischreiher und stolze Pelikane setzen zum Flug an.
Am Ende der Landzunge liegt der Atlantik. Heute Abend herrscht Flut. Mit der Piroge kommt man nicht weiter. Es geht zu Fuß dem Strand entlang weiter. Am Strand fliehen unzählige Krabben vor den nahenden Menschen. Die Kleinsten unter ihnen sind fast durchsichtig. Man glaubt, es sind Federn. Der Führer zeigt die Schlupflöcher der Tiere. Ein paar Schritte weiter stößt die Gruppe auf die Spuren eines Nilpferdes. Nilpferde verlassen, wie auch die Büffel und Elefanten, die Regenwälder und Süßwasser-Lagunen und genehmigen sich ein Bad im Meer. «Das Salzwasser spült das Ungeziefer der Tiere ab und ist eine sehr gute Therapie für deren Haut», erklärt der Führer. Nach einem fast einstündigen Fußmarsch ist eine mit Palmen bepflanzte Ebene über halb des Meeres erreicht. Der Führer macht auf mögliche Elefanten aufmerksam. Und, wirklich, da weidet Mutter Elefant mit zwei Jungen.
Kolossale Begegnung
Am nächsten Tag geht die Entdeckungsreise auf dem Boot weiter. Der Führer lenkt die Piroge in einen Seitenarm. Seichtes Wasser, nicht einen Meter tief. Er drosselt die Geschwindigkeit. Das Boot gleitet ruhig über das Wasser. Vögel fliegen aus dem Unterholz. Der Führer macht auf etwas noch nicht Sichtbares aufmerksam. Da, am Ufer, ist aus einem Gebüsch der Rüssel eines Elefanten zu sehen. Das Boot stößt auf Grund. Der Elefant horcht auf, frisst aber ruhig weiter. Er lässt sich gerne fotografieren. Wenig später zeigt sich eine Affenfamilie. Sie hocken am Ufer und knacken sich die frisch angespülten Muscheln zum Frühstück auf. Weiter vorne gleitet ein Krokodil ins Wasser. Wasser trinkende Büffel verschwinden, sobald sie das Boot hören. Es geht alles viel zu schnell für ein ungeübtes Auge. Aber es bleiben dennoch unvergessliche Augenblicke, die Tiere in ihrer freien Wildbahn für ein paar Minuten beobachten zu können. Vor dem Boot taucht der Kopf eines Nilpferdes auf. Kurz gesehen, taucht das Tier wieder unter. Drei Minuten sollen wir warten. Solange könnten die Tiere ohne zu atmen unter Wasser bleiben, weiß der Reiseleiter. Die großen Fragen: Wo taucht das Tier wieder auf? Wie schnell kann es sich unter Wasser fortbewegen? Da, es taucht auf. Es ist nicht nur eines, es sind drei. Der Führer versucht mit dem Boot näher ran zu kommen. Aber die Tiere tauchen beim nächsten Annäherungsversuch unter. An einer Insel liegen am kleinen Strand Pirogen. Einige mit Motor, ältere Einbäume, welche noch von Hand gebaut wurden, scheinen vor sich hinzudösen und von alten Zeiten zu träumen.
Ein Fußpfad führt durch das Gebüsch, unter Bäumen durch, hoch zu einer Lichtung. Auf der Lichtung stehen ein paar Hütten. Davor sitzen Männer beim Nichtstun und Frauen sind an Kochtöpfen beschäftigt. Der Reiseleiter geht auf einen älteren Mann zu, dem Dorfoberhaupt, begrüßt ihn. Es ist zu erfahren, dass gestern Nacht Elefanten in die Bananenplantage des Dorfes eingedrungen sind und einen Teil des Anbaues zerstört haben. Ausführlich, in stotterndem Französisch, zeigt das Oberhaupt die beschädigten Bäume und Sträucher. Dorfbewohner sind bereits wieder an der Arbeit, um die umgefallenen Bäume soweit wie möglich zu retten. Der Reiseleiter erklärt, dass es Streit gibt zwischen den verschiedenen Hilfsorganisationen im Park. Einige wollen, dass die Bewohner die Nationalparks verlassen. Er sei aber der Auffassung, dass diese Kleindörfer zum Park gehören. Die Menschen leben hier seit Jahrhunderten und sind eins mit der Tierwelt. Die Dörfer brauchen den gleichen Schutz um zu überleben wie die Tierwelt.