Afrika gegen Europa
Vor
ein paar Tagen zogen heftige Niederschläge über Tanger, die
nördlichste Stadt Marokkos. In den Aussenvierteln verwandelten sich
die nicht asphaltierten Strassen zu reissenden Bächen. Die Avenue
Mohammed V im Zentrum wurde von der Hauptstrasse zum Hauptfluss. Der
Place de Nation überschwemmt.
Und heute, nach dem Spiel gegen
Portugal, ist vom aufgerissenen Asphalt, von den Verwüstungen des
Wassers, nichts mehr zu sehen. Nein, nicht, dass die Behörden so
schnell beim reparieren der Schäden wären, nein, vor lauter
jubelnden Marokkanern und Marokkanerinnen sah man weder den Asphalt
noch den Boden des gekachelten Place de Nations. Dort, wo einmal das
portugiesische Konsulat über den Platz trohnte, herrschte
Ausgelassenheit über einen Sieg, der alles überschattet, was die
Regierung nicht sehen will.
Zwischen 1147 und 1269 herrschten die Almohaden, eine muslimische marokkanische Berber Dynastie über weite Teile des Maghreb und den Süden Spaniens und Portugals. Diese grosse Zeit träumen sich einige Muslime zurück und hoffen, dass wieder ihre Zeit kommt. Nun, sicher für alle unerwartet, hat die "Eroberung" über den Fussball stattgefunden. Zuerst wurde Spanien, danach auch Portugal besiegt. Der Jubel ist gross und dies nicht nur in den Städten Marokkos, sondern auch in den bereits erwähnten Ländern und Frankreich, wo die Marokkaner, Export während der 1970er Jahren, welcher vom damaligen König Hassan II gefördert wurde. Ein marokkanischer Freund in Paris fragte über Twitter, wo wohl die Franzosen ihren Einzug ins Halbfinale feiern werden, die Champs Elysee sei voll von Marokkanern und marokkanischen roten Fahnen mit dem in ihrer Mitte ein grünes Pentagramm, das Siegel des Salomon, herrscht.
Marokkos
Trainer Walid Regragui meinte in seinem kurzen Interview nach dem
Spiel unter andere: "Lass uns Geschichte für Afrika
schreiben!"
Endlich fühlt sich Marokko als Teil Afrikas. Als
ich in Marokko unterwegs war, wurde auf meinen Hinweis, dass Marokko
auf dem afrikanischen Kontinent vehement abgelehnt. Wir sind Teil des
Maghreb, Afrika fängt erst südlich der Sahara an!
Diese Aussage
kannten auch die Völker südlich der Wüste, nannten daher die
Marokkaner "die Grauen", denn sie wären nicht weiss, wie die
Europäer, noch schwarz wie die Afrikaner.
Diese Auffassung von
Geografie haben nun die Reporter aus Katar übernommen. Spanien und
Portugal haben gegen Afrika verloren. Keiner aber erwähnt, dass
Holland gegen Südamerika verloren hätte, nein, Argentinien und
Brasilien können unterschieden werden, nicht aber die 54 Länder mit
über 2.000 verschiedenen Sprachen Afrikas, sie werden nun unter den
Hut Marokkos gestellt.